Während der drei Wettkampftage des DTB-Pokals musste insbesondere die Fachwelt den schmerzhaften Verlust zweier ihrer herausragenden Experten verschmerzen. Nach der Todesmeldung vom schwäbischen Turn-Urgestein Kurt KNIRSCH Anfang der Woche erfuhr man nun vom Tod des langjährigen internationalen Kampfrichters und Sportwissenschaftlers Dr. Jörg FETZER, der heute, wenige Tage nach seinem 82. Geburtstag, in seiner Heimatstadt Leipzig verstorben ist.
Über fast drei Jahrzehnte agierte er als Kampfrichter bei Olympischen Spielen, zahlreichen Welt- und Europameisterschaften sowie Weltcups und vielen nationalen Meisterschaften mit Akribie und außerordentlichem Fachwissen.
Bis März 2006 agierte Dr. Jörg FETZER als Leiter des Fachgebietes Gerätturnen beim Institut für Angewandte Trainingswissenschaften (IAT) in Leipzig.
Unter seiner maßgeblichen Leitung begleitete und betreute er langjährig mit wissenschaftliche Teams die Leistungsentwickling der Spitzenturner ebenso, wie vor allem auch die Ausbildung der jugendlichen Jahrgänge durch wirkungsvolle Leistungsdiagnostik.
Schon zu DDR-Zeiten gestaltete Jörg Fetzer anspruchsvolle und systematische Turnausbildung des Nachwuchses durch methodische Programme, von der Talentsuche bis hinein in die Jahrgänge beginnender internationaler Turnkarrieren, die maßgeblich in Folge zu der internationalen Spitzenstellung des DDR-Männerturnes Ende der achtziger Jahre führten.
Besonders seinem hohen persönlichen Einsatz ist es zu verdanken, dass seine Ideen an der Seite mehrerer Cheftrainer und mit ihnen auch in die Praxis umgesetzt und vor allem in wesentlichen Teilen auch nach der politischen Wende weiter geführt wurden.
* Bild Mitte: Dr. Jörg FETZER im Gespräch mit seinem eben erst Anfang 2023 verstorbenen Kollegen Dr. Klaus Knoll; rechts der ebenfalls schon 2007 verstorbene deutsche Oberkampfrichter Siegfried Funk im Fachgespräch bei einem Turnier der Meister in Cottbus. (c) gymmedia
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Im Vorfeld der Umstellung der internationalen Wertungsbestimmungen des "Code de Pointage" leistete Jörg Fetzer gemeinsam mit seinem kanadischen Kollegen Hardy Fink und anderen progressiven Experten wertvolle Vorarbeiten, die letztlich im neuen FIG-Wertungssystem bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking ihre erstmalige und erfolgreiche Anwendung fanden. Dort in Peking saß er dann auch mit im Kampfgericht an den Ringen ...
Nicht nur für all' seine Kollegen und Freunden, sondern auch für das moderne Kunst- und Gerätturnen stellt sein Tod einen schmerzlichen Verlust dar!
(c) gymmedia / Eckhard Herholz
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In besonderer Weise würdigen auch die Abschiedsworte seines ehemaligen Mitstreiters im Amte des langjährigen Nachwuchs-Verbandstrainers von 1973 bis 1990, Lothar Müssig (Ex-Nationalturner der DDR und 3-maliger Deutscher Vizemeister in den 70'er Jahren), die kreative Lebensleistung von Dr. Jörg FETZER, die damals gemeinsam eine beispielhafte Nachwuchsentwicklung im männlichen Turnbereich unter wahrlich nicht immer einfachen gesellschaftlichen Bedingungen zustande brachten, und die oft im Glanze späterer Spitzenleistungen viel zu wenig gewürdigt und beachtet werden:
" ... eigentlich fehlen die Worte für die vielen Erinnerungen, die angemessen an meinen früheren Arbeitskollegen und Freund Jörg erinnern, doch vielleicht soviel ...:
Was Jörg eben nicht war, ein 'klugscheißender Akademiker'! Promoviert in einem multidisziplinären, kollektiven Projekt zur „Talenterkennung, Talenteförderung und – entwicklung“ kam Jörg in das DDR-Nachwuchsturnen. Fachliche Kompetenz, Aufgeschlossenheit, Streitbarkeit, Ehrlichkeit, nie nachlassender Elan und unermütliche Einsatzbereitschaft verschafften Jörg beispielhaft dem von ihm vertretenen "Forschungsinstitut für Körperkultur und Sport" Leipzig (FKS, Vorläufer des heutigen IAT. - die Red.) sowie Mitarbeitern weiterer wissenschaftlicher Einrichtungen, wie der "Deutschen Hochschule für Körperkultur" (DHfK) Leipzig und dem Wissenschaftlichen Zentrum (WZ des Deutschen Turnverbandes der DDR Anerkennung, Sitz und Stimme in den führenden Trainerkollektiven des männlichen Nachwuchsturnens der DDR. Die ständige Integration und Konfrontation mit solch' herausragenden Trainern in der turnerischen Praxis des Nachwuchsbereiches, wie Wulf Dahlhöfer, Matthias Legler, Rolf Wünsche u. a., führten zu einem tiefen Verständnis über die notwendigen turnerischen Voraussetzungen für die Erringung weltmeisterlicher und olympischer Spitzenleistungen. Hier wurzelten Jörgs tiefe Überzeugung für die Bedeutung des Nachwuchstrainings und ebenso sein Interesse an der Modellierung der turnerischen Spitzenleistung in der olympischen Zukunft sowie deren möglichst gerechte Bewertung als tiefe Anerkennung der Leistungen der Athleten, die ihre frühe Jugend und Perspektive dieser schönen Sportart widmen und ebenso deren Trainern.
Dafür Jörg, Dir und Deiner Renate, die das alles mitgetragen hat vielen Dank ...!
* Lothar und Gattin Vera Müssig
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+ Eine ausfürliche Würdigung der Person und der außerordentlichen Lebensleistung des Verstorbenen - insbesondere auf dem Gebiet der Nachwuchsentwicklung - veröffentlichte der langjährige Ex-Sportdirektor des Deutschen Turner-Bundes, Wolfgang WILLAM, auf der Website des DTB
► Dr. Jörg Fetzer verstorben
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