03. März 2011  
Jacksonville, USA  
Gerätturnen

Neue FIG-Weltcup-Serie startet mit American Cup

Eigentlich setzt man bei den sogenannten 'Invitationals' (Einladungswettkämpfen) mehr auf Klasse, denn Masse. Neuerdings sind vier der FIG-Weltcups nach eben diesem diesem Strickmuster beabsichtigt, da eigentlich nur die jeweils acht Mehrkampfbesten der letzten WM startberechtigt sein sollten.
Doch schon beim Auftakt am kommenden Wochenende, dem American Cup, muss man am "neuen System", zumindest bei den Frauen, erhebliche Abstriche und "Nachrückern" Platz machen ...

Alina MUSTAFINA (RUS), die Weltmeisterin ist fit für den Mehrkampf

Zweifellos ist Jordyn Wieber, die als Junior schon vor zwei Jahren mit dem American Cup-Sieg 2009 schon auf sich aufmerksam machte, ein möglicher kommender Superstar, aber längst für globale TV-Programm-Entscheider noch kein "Zungenschnalzer". Und um solche Effekte ging es doch wohl den FIG-Planern mit diesem neuen Weltcup-Modus:
Den ausgewiesenen Stars der Szene Plattformen und Fläche zu bieten, um in großen Städten und Weltarenen mit Zuwachs an TV-Programm-Minuten zu punkten (- und zu kassieren!).
Diese Rechnung ist schon beim nationalen Experiment der Champions Trophy 2009, gewissermaßen als ein Vorläufer des neuen Weltcup-Modus, nicht ganz aufgegamgen:
Was einst in 2009 Deutschland als attraktive "Hambüchen-Präsentation" in dessen Hochzeiten gedacht und als durchaus sehenswerte Viererserie anlief, verwässerte sich dann durch diverse Verletzungsausfälle am Ende derart, dass z. B. der Sieger eben dann aus Russland (Dewiatowski), nicht aus Deutschland, kam, und sich eine der tragenden nationalen TV-Säulen (die ARD) einer Vertragsfortsetzung verweigerte.

Philipp BOY, Star bei den Männer-Wettbewerben in Jacksonville

* Paricipants, Men (* in Klammern:  WM-Mehrkampfplatz)
  • GER: Philipp Boy                  (2)
  • USA: Jonathan Horton         (3)
  • UKR: Mykola Kuksenkov      (4)
  • GBR: Daniel Purvis               (5)
  • JPN: Koji Uematsu                (8)
  • GRB: Samuel Hunter             (9)
  • FRA: Cyril Tommasone        (13)
  • USA: Jake Dalton (USA)       (--)  für S. Chorochordin (RUS) (7)

Thema Masse und Klasse ...
Hingewiesen werden muss allerdings auf die nun deutlich zutage tretende riesige Diskrepanz zwischen solchen (4) Einladungs-Weltcups (- nach Jacksonville noch Glasgow, Stuttgart, Tokio) der acht besten Mehrkämpfer und dem "Rest der früheren B-Weltcups", die nun im Prinzip nach altem Modus (kein Mehrkampf, Einzelgeräte mit Vierer-Finals), als sogen. "Challenger Cups" durchgeführt werden.

Gleich nach Jacksonville folgt eine Woche später das Cottbusser Traditionsturnier, zu dem sagenhafte 220 (!!)  Aktive aus der Rekordzahl von 47 Nationen gemeldet haben: über 140 Männer, über 80 Frauen, und das Kuriose ist:
Diese gewaltige Teilnehmerschar sollte sich ursprünglich um 6 x 4 = 24 Finalplätze bei den Männern bzw. 4 x 4 = 14 Finalplätze bei den Frauen (statt zuvor 8 Finalplätze pro Gerät) bewerben.
Über die gewaltige Gästeschar mag sich vielleicht die regionale Hotelbranche freuen. Auch das Ego der Lausitzer Touristenbranche wird da bestens bedient. Aber ca. 180 Athleten, also etwa 75 % (!) der Angereisten, sehen überhaupt nicht die eigentlichen Challenger-Finals.
Sie starten  am Vorkampftag zumeist nur einem oder zwei Geräten in einem über 6 - bis 7-stündigen Vorkampf-Marathon, dort faktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Der sportliche Wert dieses Ausscheidungen hält sich insofern in Grenzen, da man eh' die Gerätespezialisten kennt und mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagen könnte ...
(* Inzwischen haben das die Ausrichter wieder auf 8 Finalisten pro Gerät korrigiert!!)

 ... und was man lieber nicht tun sollte:
Ausrechnen, wieviel Flug- oder Auto-Kilometer man sich sparen könnte, in einer Zeit wachsender Umweltprobleme und steigender  Bedeutung des humanen Ressourcen- und Zeitmanagments ...

Das allerdings ist eine akute Fragestellung an das gesamte Welt-Wettkampfsystem - von Olympischen Spielen, über WM und Kontinental-Wettkämpfen, bis hin zum Weltcup - der  gesamte Komplex gehört nach wie vor auf auf den Prüfstand!
Die jetzt anlaufende partielle Weltcup-Neuregelung ist Stückwerk.:
- Der erste A-Weltcup mit komplettem Mehrkampf kommt zu früh in der Saison ...;
- Der zwar richtige Ansatz einer stärkeren Mehrkampf-Betonung bleibt wirkungslos, denn er betrifft nur die elitäre Spitze (8 per Einladung) ...;
- Die sogenannte "Challenger-Serie" ist der unveränderte Weltcup-Modus (frher B-Weltcups), ergo:
Das Pferd wurde von hinten aufgezäumt und sollte deshalb aufmerksam und kritisch beobachtet werden.

Die Frage
"Wieviel Champions braucht die Welt ...", die wir vor einem Jahr schon einmal stellten und die nicht nur das globale Kunstturnen betrifft, scheint aktueller, denn je!

* Eckhard HERHOLZ
- GYMmedia INTERNATIONAL