Lutz Landgraf: ... schon seit 15 Jahren 'im Ruhestand' |
Der nach der politischen Wende erste Turntrainer, dessen Athlet Olympiagold für Deutschland gewann, feiert heute seinen 70. Geburtstag. Der Berliner Lutz LANDGRAF hatte den Berliner Andreas Wecker zunächst 1995 in Sabae erst zum Reckweltmeister und ein Jahr später am gleichen Gerät in Atlanta zu Olympiagold geführt.
Das Erfolgsteam Landgraf/Wecker erarbeitete unter härtesten Bedingungen 25 internationale Medaillen. Schon zuvor betreute er in Berlin Olympia-, WM- und EM-Teilnehmer, wie z. B.die Hoffmann-Brüder, Torsten Mettke, Holger Zeig, nach der Wende auch Peter Nikiferow, Stefan Herbrich und viele andere.
Landgraf-Wecker: das deutsche Turn-Dream-Team der Neunziger ... |
G e d a n k e n,
die mir zum runden Geburtstag kamen ...
- von Eckhard Herholz, GYMmedia -
Beim Gratulationsanruf vor 10 Jahren, zum 60., meldete sich die Stimme des Jubilars: "Rentner Landgraf, hier, ... ja bitte!?
Unüberhörbarer Sarkasmus lag da in der Stimme eines Mannes,
- der in seinem Fach einer der kompetentesten und weltweit anerkanntesten war und sicher noch lange hätte sein können...
- der schon v o r seinem 60. Geburtstag fast 3 Jahre lang ohne jegliches Einkommen war, von seiner Sportart bereits 2004/05 in einer unsäglich unwürdigen Art sang- und klanglos abgekoppelt wurde, weil weder der Deutsche Turner-Bund noch die Berliner Region eine sinnhafte Form der Weiterbeschäftigung und damit des Kompetenzerhaltes dieses hochgradig qualifizierten Mannes fanden,
- einer Fachkompetenz von Chef-Verbandstrainer-Format!
Wieso der also schon 2005, im "Hochleistungsalter" eines Turntrainers mit erst 55 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand geschickt wurde, bleibt bis heute eines der unaufgeklärten Geheimnisse seines Verbandes ...
Peter Nikiferow, Lutz Landgraf im Olympiajahr 2000 |
Seit 1973 hatte der Absolvent der Humboldt-Universität Lutz Landgraf ganze Generationen von Top-Athleten - die meisten von ihnen von internationalem Format - entwickelt, erzogen und zu Weltklasseleistungen gebracht.
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Mit dem damals 18-jährigen Andreas Wecker ( - der stand 1988 in Seoul als sein Schützling und als der jüngste Turner in der olympischen Silberriege der DDR, der - kurz vor Untergang derselben - gar letzter "DDR-Sportler des Jahres 1989" wurde.
1996 im Georgia Dome nach Reckgold |
Selbiger Wecker mit "Landgraf-Background" war es auch, der mit seinen Erfolgen und Leistungen das ehemals international eher unbedeutende alt-bundesdeutsche Kunstturnen neu belebte, mit nach vorne riss, zur WM in 1991 Indianapolis, bei Olympia in Barcelona, die Andreas Wecker mit 3 Medaillen als erfolgreichster deutscher Turner beendete (!) , und in weiterer Folge bis zum Olympiagold an der Reckstange im Georgia-Dome von Atlanta 1996 ...
Der abgeklärte, präzise Analytiker Lutz Landgraf als Trainer - der begnadete Turner und Heißsporn Wecker.
Das klappte lange und erfolgreich. Doch nach seinem Rücktritt vom Rücktritt 1998 ging sein Schützling andere, z. T. "eigentümliche" Wege, auch private, und plötzlich stimmte die Chemie nicht mehr, zwischen den beiden!
Wecker fühlte sich durch die Landgraf-Art nicht mehr motiviert. Es fehlte die Akzeptanz seitens des Athleten, der konsequenten, erfolgsorientierten Gangart des Trainers zu folgen.
Landgraf damals: "Ich brauche wenigstens die Einhaltung gewisser Grundprinzipien des Trainings, wie Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, bestimmte Belastungsumfänge... schließlich strebte Andreas in Sydney 2000 als erster deutscher Turner eine vierte Olympiateilnahme an. Klar, war er d i e absolute Ausnahmeerscheinung, aber irgendwie muss man sich als Team akzeptieren, und das scheint bei Andreas nicht mehr der Fall zu sein. Das wiederum akzeptiere ich völlig! Menschlich betroffen macht mich allerdings die Art und Weise, wie man sich trennt ....!".
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So war das damals, als Landgraf vor zwanzig Jahren 50 wurde.
Was inzwischen aus Olympiasieger Andreas Wecker wurde, der sich zunächst total von seinem ersten Sportlerleben selbst "abgekoppelt" hatte, war lange Zeit eher diffus und unklar, ein Aufstieg war's zunächst nicht, doch in den letzten Jahren scheint auch in dessen Leben Solidität, Ruhe und Zufriedenheit eingekehrt zu sein:
Im Januar 2020 wird Andreas Wecker 50 Jahre alt.
Lutz Landgraf (re.), nur noch 'besuchsweise' neben dem heute verantwortlichen Turntrainer beim SC Berlin, Jens Milbradt |
Warum aber die Koryphäe einer Trainerpersönlichkeit, wie Lutz Landgraf schon mit 55 Jahren von seiner anspruchsvollen Sportart aus erster Reihe als Meistermacher "abgekoppelt" wurde, ist bis heute nicht nachvollziehbar, besonders nicht in einer Gesellschaft, die dringender denn je auf Bildung, Ausbildung, Knowhow und Professionalität setzen muss, um Mittelmaß zu vermeiden - in der Wirtschaft ebenso, wie im Spitzensport.
Inzwischen hat sich dieser Mann längst mit dieser Situation zwangsweise abfinden müssen. Wer ihn kennt aber weiß, überwunden, hat er das nicht! Ignoranz von Lebensleistung ist eben nur sehr schwer zu überwinden, das erlitten neben ihm viele ostdeutsche Biografien.
Neben den Glückwünschen zu seinem runden Geburtstag kommen einem eben auch solche Gedanken, die der Betroffene selbst so nie äußern würde.
Herzlichen Glückwunsch, trotzdem, Lutz Landtgraf!
(c) Eckhard Herholz, GYMmedia INTERNATIONAL