Heute in 'Rheinpfalz' |
'Der Pfälzer Turner Bund (PTB) wird den Betrieb am Landesleistungszentrum in Oppau zum Jahresende einstellen und das Gebäude an den Landessportbund zurückgeben.
Das beschlossen am Montag 164 Delegierte nach über zweistündiger hitziger Diskussion. Dagegen stimmten 48 Delegierte. Rufe nach einem krisenstabsähnlichen Ausschuss und dem Aufschub der Entscheidung um sechs Monate wurden nicht mehr erhört.
GYMmedia führte u.a. Interviews mit Philipp Fürst und dem Pfälzer Turnpräsidenten Franz Selbach und anderen...
>> Mehr dazu lesen Sie in der heutigen Ausgabe der Zeitung 'R h e i n p f a l z '
Philipp Fürst, TB 1889 Oppau, Mitglied seit 1949; 18-facher Deutscher Turnmeister |
GYMmedia-Exklusiv-INTERVIEW
mit dem zweifachen Olympiateilnehmer und Bronzemedaillengewinner von Tokio 1964 Philipp FÜRST
GM: Herr Fürst, Sie waren gestern bei diesem Beschluss der Rückgabe des Landesleistungszentrums selbst mit dabei, tat das weh...?'
Philipp Fürst: 'Es tat nur insofern weh, wenn man um die 30 Jahre der Entstehung und Entwicklung dieses Zentrums weiß. Ansonsten liegt meine Enttäuschung um den Niedergang des deutschen Turnens schon viel länger zurück. Ich glaube hier gibt es nichts mehr zu retten, wenn man vor allen Dingen die Konzeptionslosigkeit des eigentlich für die Entwicklung des Leistungssports zuständigen Dachverbandes, des Deutschen Turner-Bundes sieht.'
GM:Wie beschreiben Sie denn die Verantwortung generell für ein solches Landesleistungszentrum?
P.Fürst.: 'Ich habe z.B. unseren Pfälzer Turnpräsidenten Franz Selbach gefragt, ob denn Verantwortliche des DTB zur Lösung der anstehenden Probleme eingeladen waren, oder Vertreter der Stadt Ludwigshafen oder des Landessportbundes... nichts... und dabei ist die akute finanzielle Lage mindestens seit 2 Monaten bekannt und das Problem selbst mindestens 3 Jahre! Wenn aber irgendwann mal im Fußball, beim KSC 'die Hütte brennt', da sind sie da, die Politiker wie Dr. Beck und andere, aber beim Turnen...da lässt sich niemand sehen? Und dabei schaffen wir mit unserer Arbeit für so manche andere Sportart erst die Grundlagen!
Warum haut denn da ein 5-Millionen-Verband wie der DTB nicht mal auf den Tisch, wenn ihm reihenweise Objekte an seiner Basis wegbrechen, siehe auch Bayer 04 Leverkusen im Frühjahr oder anderswo?
G M: Das klingt aber ziemlich resignativ!'
P.Fürst: 'Ja, natürlich, der DTB verlangt, wie eigentlich schon immer, im Spitzensport Leistung zum tarif. Und das geht schon längst nicht mehr. Und als uns die Oststrukturen des DDR-Spitzenturnens nach der Wende zuwuchsen, hat man wohl die größte aller Chancen vertan. Statt diese Strukturen behutsam und wirkungsvoll in die neue Zeit zu führen, ist man über ein Jahrzehnt auf Verschleiß gefahren. Nun muss man sich nicht wundern, wenn unsere Sportarten mangels internationaler Top-Leistungen nicht mehr wahrgenommen werden.
G M:: 'Sie haben nach ihrer aktiven Zeit als einer der international erfolgreichsten Turner der 'alten Bundesrepublik' fast drei Jahrzehnte als Nachwuchstrainer gearbeitet. Wo sehen Sie Lösungen?'
P.Fürst: 'Momentan sehe ich keine. Solange der Deutsche Turner-Bund keine wirksamen Konzepte zur Belebung des Leistungssports entwickelt - und ich sehe keine - solange können auch solch kleinen Landesverbände, wie der Pfälzer Turnerbund einer ist, erst recht nichts bewirken. Und Sprücheklopfer allein bewirken auch nichts!'
Das GYMmedia-Gespräch führte Eckhard Herholz
Weitere Informationen:
- Im LLZ Ludwigshafen trainieren derzeit ca. 50 Jungen und Mädchen zwischen 6 und 16 Jahren in leistungssportlich orientierten Riegen. Im männlichen Bereich unter Anleitung von den zwei hauptamtlichen Trainern Lutz Kaps und Dagmar Krecksch und im weiblichen Bereich bei Andras Islai, unterstützt von weiteren 4 ehrenamtlichen Übungsleitern.
- Das LZZ ist auch Trainingsbasis des TB 1889 Oppau - derzeit an zweiter Stelle der Tabelle in der Staffel-Süd der 2. Bundesliga - und wird teilweise auch genutzt von der TSG Grünstadt.
Franz Selbach |
I N T E R V I E Wmit dem Präsidenten des Pfälzer Turnerbundes Franz Selbach
G M : 'Herr Selbach, war wirklich keine Rettung des Landesleistungszentrums machbar...?'
Franz Selbach: 'Nein, wir haben uns die letzten Jahre wirklich bemüht, aber nun stehen 1,2 Millionen Euro zur Sanierung an, von denen ca. 400.000 Euro von uns zu tragen wären und wir als Landesverband können einen jährlichen Fehlbetrag von über 100.000,- EURO nicht verkraften.'
G M: 'Das heist aber auch, dass nun ein Stückchen Leistungssport in Ihrer Region sterben wird?'
F.Selbach: 'Ja leider, obwohl wir wieder zuletzt beim Deutschlandpokal mit einigen guten Leistungen aufwarten konnten. Aber in unserer ländlichen Region haben unsere Vereine dieses Leistungszentrum nie so richtig angenommen, da spilt auch die Erreichbarkeit, spielten Transportprobleme eine Rolle. Außerdem fehlte uns ein wirksames und erkennbares Lesitungssportkonzept unseres Dachverbandes DTB; andererseits erwartete man aber , dass wir als Landesverband unseren Spitzensportanteil einbringen...!'
G M: 'Nüchterne Frage: Wie gehts ab 1. Januar 2004 weiter?
F.Selbach: 'Der Landessportbund wird das Haus zurücknehmen und in diesem Zustand wird nun der Trainingsbetrieb eingestellt. Auch die Vereine wie Oppau und Grünstadt müssen sich nun wieder selbst in ihren eigenen Hallen helfen.
Für die hauptamtlichen TrainerInnen bedeutet das nun auch das definitive Aus im Rahmen der vereinbarten Kündigungsfristen.
Als Landesverband wollen wir den Spitzensport sicher weiter unterstützen, aber eben nicht mehr in Form dieses Landesleistungszentrums.'
Das Gespräch führte Eckhard Herholz
In besagter Krisensitzung meldete sich Gerhard Liedy, der Landesfachwart aus Haßloch mit Kritik am Pfälzer Turnerbund zu Wort:
'Hier werden 30 Jahre Zentrum in fünf Minuten kaputt gemacht, weil ein Präsidium einen Weg verhindert, um aus dem Dilemma herauszufinden!'
>> Lesen Sie dazu in der 'Rheinpfalz vom 12-Nov-2003:
>> 'Mit Halbheiten am Zentrum ist Schluss'
Präsident des Bundesligisten TB Oppau
Gerhard Hunziker
'Wir prüfen jetzt noch einige Möglichkeiten. Das Zentrum steht auf städtischem Gebiet. Wenn der LSB das Objekt nicht will, ist die Stadt Ludwigshafen gefragt. Man muss wohl auch noch mal über die Landesregierung gehen...
Jedenfalls muss jetzt alle Argumente gesammelt werden ein Konzept erarbeitet werden, ein Stufenplan... es wäre schade, wenn die jüngste positive Entwicklung mit dem Nachwuchs - siehe Deutschlandpokal, ein dritter Platz! - abgebrochen werden müsste.
Wenn für den TB Oppau die Trainingsmöglichkeit wegfällt, ist das momentane Leistungsnieveau nicht mehr zu halten. In unserer alten Halle aus den fünfziger Jahren, in der noch Philipp Fürts trainierte, ist für die modernen Anforderungen nicht geeignet!'
Volker Rohrwick, zweifacher Olympiateilnehmer, fünfacher WM-Teilnehmer, TB Oppau:
'Ich darf daran erinnern, dass aus Oppau immer und viele Leistungsträger die internationalen Aufgaben des DTB lösen halfen. Um so enttäuschter bin ich, dass von da Entwicklungsimpulse kommen!
Ici erinnere an Olympia 1960 und 1964, da war es Philipp Fürst, das war zur WM 1962 Günther Jakobi, in Mexiko 1968 Erich Hess, 1972 und 1976 stand Reinhard Ritter im bundesdeutschen Olympiateam, ich selbst von 1976 bis 1984 und bei 5 Weltmeisterschaften...
Ich darf auch erinnern an Michael Cornelius der im JEM-Team 1991 in Athen stand und 1992, damals als einziger 'Wessi' JEM-Bronze in Arezzo, Italien holte. Und wer zuletzt die Leistungen unseres Nachwuchses beim Deutschjlandpokal betrachtet, sieht auch, das wir auf diesem Gebiet gerade wieder Aufwind hatten...!
Leider gibt es sowohl auf seiten des Landessportbundes als auch des Pfälzer Turnerbundes kein ausreichendes 'Know How' für den Leistungssport, sonst würde man eine solche historische Bilanz nicht gefährden oder abbrechen lassen!'
Am 26. November 2003 soll es noch einmal eine Zusammenkunft von Entscheidungsträgern mit der Stadt Ludwigshafen bei Burgermeister und Sportdezernet van Vlied geben. Bis dahin will der TB Oppau ein entsprechendes Konzept für eine Problemlösung vorbereiten.
** Mehr dazu lesen Sie auch in den Ausgaben der Zeitung
→ 'R h e i n p f a l z ' vom 11.11.2003 und
→ vom 07. Januar 2004