21. August 2003
Anaheim/USA
Gerätturnen
Hamm holt zweites US-Gold -Kwiatkowski überrascht
|
Sven Kwiatkowski (GER)- - positive Überraschung in Anaheim
|
Der U.S.-Amerikaner Paul HAMM holt als erster Turner seines Landes die absolute Krone des Turnsports, den WM-Mehrkampftitel, dieser 37. Turn-WM 2003 in Anaheim, und damit seit Fort Worth 1979 (Silber für Kurt Thomas/USA) die zweite Mehrkampfmedaille überhaupt.
Mit einem Hauch von 0,064 Punkten behielt er mit einer abschließenden konzentrierten Reckleistung (9,775) - im Gegensatz zu seinem Sturz von Gent 2001 - die Nerven und verweist den Olympiazweiten YANG, Wei aus China auf den 2.Platz (57,710).
Bronze geht an den Japaner Hiroyuki TOMITA (57,435), da sein Landsmann Tsukahara am Reck stürzte.
Der für den Franzosen Mareet doch noch überraschend ins Finale gekommene Sven Kwiatkowski aus Chemnitz wird mit einer starken Leistung 13. und fünftbester Europäer...
Paul HAMMholt erstes WM-Mehrkampfgold für die USA
(C) Photo by Tom Theobald, San Diego
|
Konzentriert, vorbildlich...! Sven Kwiatkowski (GER)
|
MEHRKAMPF-ENTSCHEIDUNG
'Das war der Wettkampf seines Lebens...', so der erste Kommentar des DTB-Sportdirektors Wolfgang Willam zur Mehrkampfleistung des Chemnitzers Sven Kwiatkowski, der erst beim Einturnen davon erfuhr, dass er nach dem Ausfall des als 23. qualifizierten Franzosen Florent MAREET nun doch noch eine Startchance erhielt. Endlich nun behielt er im Wettkampf die Nerven, zeigte alles, was er momentan drauf hat - reizte Reck mit seinem wunderschönen Kovacs-Salto mit ganzer Drehung aus - und lag bis vor dem letzten Gerät gar unter den Top-Ten der Welt....
Da sein letztes Gerät Ringe aber bekanntlich nicht sein stärkstes ist (nur 8,775), geht der abschließende 13. Rang absolut in Ordnung und ist ein zumindest kleiner, versöhnlich stimmender Ausblick auf Kommendes: Nicht von ungefähr setzt gerade d e r deutsche Turner mit der professionellsten leistungssportlichen Einstellung, dieser Sven Kwiatkowski, das Zeichen für den Weg nach Athen für die nächsten 12 Monate!
'Ich bin ganz locker geblieben, weil der Druck aus dem Mannschafts-Wettbewerb zum Glück weg war. Da war einfach nur die Freude, noch mal turnen zu dürfen', sagte der ehemalige deutsche Meister. Kwiatkowski ließ damit Leistungspotenzen erahnen, die zuletzt nur Reck-Olympiasieger Andreas Wecker anzubieten vermochte.
Bundestrainer Andreas Hirsch reagierte mit Genugtuung: 'Diese Leistung ist für mich der Beweis dafür, dass wir uns deutlich sicherer hätten für Athen qualifizieren können.' /i>
Nur mit Schützenhilfe des indisponierten Ex-Weltmeisters Weissrussland und zwölf Tausendstelpunkten war die Olympia-Qualifikation letztendlich noch überraschend erreicht worden.
... zum Wettkampfgeschehen:
Die patriotische amerikanische Seele kochte bei diesem Wettkampf schon besonders hoch, und nach dem Mannschaftsgold der Mädchen lag so etwas wie Siegeseuphorie in der Wettkampfarena. Vorsichtig ausgedrückt war das sicher nicht ganz bedeutungslos für einzelne Noten, aber: Keinerlei Abstriche aber an der Leistung dieses Paul Hamm! Der Pechvogel von Gent vor 2 Jahren, der damals hinter seinem vor Reck führenden Landsmann Sean Townsend auf Rang drei lag, und der wie Townsend beim Kovacs-Salto mit ganzer Schraube tragisch scheiterte - dieser Mann behielt diesmal just am gleichen Gerät im letzten Durchgang und mit all seinen Flugteil die Nerven: Die höchste Reckwertung (9,775) sicherte ihm mit einem Unterschied von 0,064 Punkten (!!) Gold - das erste für die USA überhaupt, nach Silber von Kurt Thomas, damals 1979 in Fort Worth.
|
YANG, Wei, mehr als gleichwertig!
|
Kleine Einschränkung... Anaheim... man weiß nicht, wie es anderswo ausgegangen wäre, denn dieser Olympiazweite von Sydney aus dem chinesischen Goldteam damals, bot substanziell und von der technischen Güte das Feinste auf dem Podium von Anaheim.
YANG, Wei, mit traumhafter Akrobatik und Höchstnote am Boden (9,962) soll 0,064 Punkte 'schlechter' gewesen sein...! So ist das eben in emotionsgeladener Atmosphäre...! Athen wird da wohl den neutraleren Boden und die bedeutsamere Revanche liefern.
|
Tomita - beste Barrenübung
|
Schade, dass Naoya Tsukahara, der in den Vorkämpfen zweimal beste Mehrkämpfer, beim Kovacs-Salto mit ganzer Drehung am Reck abstieg...so sprang sein nicht weniger excellenter Landsmann Hiroyuki TOMITA in die Bresche, und sicherte die Bronzemedaille für Japan, mit einer stolzen Pauschenpferdleistung von 9,737 - Achtung, Marius Urzica, fürs Finale - und mit der Höchstwertung am Barren (9,687), gemeinsam mit Landsmann Tsukahara!
Was war mit Jordan Jowtschew, dem Mehrkampfdritten von Gent?
Der bärenstarke Bulgare glänzte erneut mit bester Ringeleistung (9,725 !!), aber sonst scheint er über den Mehrkampfzenit hinaus zu sein. Erst fiel er am Barren auf die Holme, dann stieg er am Reck gar zweimal ab, ging nicht mehr ans Gerät und verliess den Wettkampf noch vor seiner Bodenübung...
Keine Überraschung war der 4. Rang von Jernar Jerimbetow aus Kasachstan. Schon zur WM in Gent lag er nach 4 Durchgängen vor der gesamten Konkurrenz in Front, verturnte sich aber dann am Boden. Diesmal zog der dynamische Mann aus Alma-Ata - mit besoderen Stärken am Pauschenpferd (9,662) - durch und scheitert mit nur weniger als 2 Zehnteln an einer Medaille.
|
Podgorni - stürzte schon 2001 in Gent!
|
Dramatische Momente lieferte wieder einmal der Russe Jewgeni Podgorni:
Schon zur WM in Gent 2001 (Foto, re.) schied er mit ziemlicher Verletzung aus dem Kampf aus - auch diesmal stürzte er erneut am Reck, blieb minutenlang liegen und wurde dann wieder mit Ellenbogenverletzung aus dem Wettkampf gebracht. So bleibt nur ein 11. russischer Mehrkampfrang für Alexei Bondarenko, und die Russen müssen sich bis Athen und überhaupt etwas einfallen lassen...
|
Schweizer- (-hier unlängst beim Länderkampf in Dresden)
|
Wenn...ja, wenn Marian Dragulescu (ROM) nicht am Pauschenpferd abgestiegen wäre (8,787).....dann wäre das eine Medaille. So aber wird er als bester Europäer (!) 'nur' Sechster, trotz der Tageshöchstwertung am Sprung von 9,850 Punkten.
... unbedingt erwähnt werden muss noch Andreas SCHWEIZER aus der Schweiz, die (diesmal) leider noch nicht ihr gewachsenes Potential als Mannschaft in eine Olympiaqualifikation umsetzen konnten: Hätte er seine Bodenübung voll erwischt (- nur 8,582), wäre noch mehr herausgekommen, als dieser trotzdem sehr beachtlicher 15. Rang...
Insgesamt: Die Top Ten glänzten im vorolympischen Jahr, einige setzten persönliche Zeichen (s.o.) aber in der zweiten Hälfte des 24er-Finalfeldes gab es doch eine Reihe von Instabilitäten und Sorgen. Auch das ist ein Hinweis: Es muss überall hart gearbeitet werden und .. überall wird auch nur mit Wasser gekocht!
(E. Herholz