Jubilar Götz-Michael Glitscher |
In "corona-bedingter Stille" begeht heute einer der herausragendsten deutschen Trainer des weiblichen Kunstturnens in Leipzig seinen 80. Geburtstag: Götz-Michael GLITSCHER war eine der profilbildenden Persönlichkeiten nicht nur der halleschen Turnschule, sondern auch international! Generationen von Turntalenten wurden von ihm geprägt, die auf höchsten nationalen und internationalen Niveaustufen Furore machten. Insbesondere in den 70'er Jahren, nachdem Richarda Schmeißer in München olympisches Mannschaftssilber mitgewann, turnten sich dann vier Jahre später in Montreal zwei weitere Glitscher-Schützlinge ins bronzene Olympiateam von Montreal ...:
Eine imposante Schar "hallescher" Nationalmannschaftsturnerinnen 1975:
* v.li.: Trainer Götz Glitscher, Pianist Herr Breuer, Petra Oertel, S.Klein, Richarda Schmeißer, --> Bärbel Koss (Dockhorn), Trainerin Erika Dechant (rechts) und ein 'kleiner Rest der Welt'.
Gitta Escher, Carola Dombeck (beide Halle), Steffi Kräker (Leipzig) - 1976 in Montreal |
Carola Dombeck gewann zudem noch Silber hinter der legendären Nadia Comaneci und Gitta Escher erreichte als Mehrkampfsechste drei weitere Olympiafinals. Neben den damaligen DDR-Spitzenzentren Berlin (Dynamo) und Leipzig (SCL) hatten sich zu Hause in der Stadt der Halloren die Mädchen der Glitscher-Riege in den Mittelpunkt geturnt: Erstmals ging 1975 ein Deutscher Mehrkampfmeistertitel der DDR nicht nach Berlin oder Leipzig, sondern Richarda Schmeißer gewann in Cottbus diesen wichtigsten aller Titel erstmals für Halle - dazu noch die Meisterschaft am Stufenbarren. Diesen verteidigte die Ex-Zeitzerin ein Jahr später in Suhl, als ihre Clubkameradin Gitta Escher ihr als DDR-Mehrkampfmeisterin direkt nachfolgte und insgesamt in diesen Jahren vier weitere Gerätetitel gewann.
Diese hallesche Turnerinnen-Garde war in den Siebzigern eine Macht und begann, den etablierten Spitzenklubs von Dynamo Berlin und vom SC Leipzig Paroli auf Augenhöhe zu bieten...:
Die SC-Chemie-Riege von 1974: von links):Ute Preuß, Margret Gerlach, Heike Kischkieß, Richarda Schmeißer, Gitta Escher, Birgit Pulwitt, Cornelia Jabin, Regina Richling (- alles Mädchennamen). |
Insbesondere war es Richarda Schmeißer (* Foto, rechts) in diesen Jahren, die z. B. bei den 10. Europameisterschaften 1975 im schwedischen Skien hinter Nadia Comaneci, Nelli Kim und Annelore Zinke eine Mehrkampfmedaille nur knapp verpasse, dafür hinter Nadia Comaneci aber Vize-Europameisterin am Sprung wurde und und in allen weiteren Gerätefinals stand (3x Vierte, 1x Fünfte).
Götz-Michael Glitscher inmitten der exponierten halleschen Trainerkollegen, wie Erika Dechant, Johanna Quaas, Siegfried Bräutigam, Lutz Wiedemann, Gisela Zimmermann, Petra Neuhof, Gisela Heller, Dieter Hofmann, Manfred Rowold, Beate Gielsdorf u. a., brachten später auch Birgit Süß zu Olympia 1980 sowie zu den Weltmeisterschaften 1978 und '81 in die Bronze-Mannschaften der DDR, wie zur WM 1981 auch Annett Lindner dort die halleschen Farben vertrat.
Auch in der letzten aller WM-Auswahl-Riegen der DDR, 1989 in Stuttgart, stand mit Janka Daubner eine hallesche Turnerin aus dem Cheftrainerbestand des Götz Glitscher auf internationalem Podium.
... und überhaupt:
Die hallesche Turnschule arbeitete mit hohem Anspruch und dutzende Talente prägten die Qualität vieler Spartakiadejahrgänge dieser Zeit.
Götz Glitscher und eines der Toptalente der siebziger Jahre, Solveig Winckelmann, deren Flickflack-Stakkato am Ende der Turnfestübung 1977 im Leipziger Zentralstadion (10:41 min) vielen noch heute in Erinnerung ist! |
Götz-Michael GLITSCHER war ab 1985 auch Cheftrainer des SC Chemie Halle, als mit der politischen Wende auch für den damals 50-Jährigen, alles anders wurde: Von seinem Trainerstamm in Halle wurden über 75 % entlassen. Er selbst fungierte kurze Zeit als der verantwortliche Trainer der Turnerinnen aus den neuen Bundesländern, war Bundestrainer in Frankfurt. Nach dem defacto Ende der Strukturen der DDR-Turnklubs sah er keine Perspektive mehr für einen ausgefüllten Trainerjob und nahm ein Angebot aus den USA an. So arbeitete er als Cheftrainer in Florida (1991/92) in South und North Carolina (- bis 1996) sowie im Gymnastics Center Spartanburg (Georgia).
Anschließend war Götz -Michael Glischer bis zum Jahre 2000 Cheftrainer beim Schweizerischen Turnverband.
Mehr als alle anderen Worte sind es besonders die Wertschätzungen ehemaliger Athletinnen, die das Profil eines Trainers beschreiben;
... und so erinnern diese sich heute:
* Richarda SCHMEISSER:
(- die auch heute noch mehrrmals die Woche als Trainerin in der Halle steht)
"Goetz und ich bestritten so ziemlich alle Höhen und Tiefen in meiner sportlichen Laufbahn gemeinsam und ich lernte ihn als konsequenten, aber auch einfühlsamen Trainer kennen.
Es gelang ihm in Zusammenarbeit mit seinen Trainerkollegen in den '70'er und '80'er Jahren in Halle Turnerinnen zu entwickeln, die in der DDR und auch international das Niveau mitbestimmten. Der persönliche Kontakt nach meiner aktiven Zeit ist nie ganz abgebrochen. Gern erinnere ich mich z. B. an den Besuch in den USA 2006, zusammen mit Gitta Escher-Wagenknecht und Margret Gerlach-Schüler. Bewundernswert finde ich seine Flexibilität nach der "Wende" , als er in die USA und die Schweiz ging, um dort seine Ideale weiter verfolgen zu können. Das Turnen ist für ihn immer noch von großem Interesse und so ist er noch heute immer einer der ersten Gratulanten nach Erfolgen unserer Turnerinnen aus Halle."
<< * Gitta WAGENKNECHT-ESCHER: "Es ist schon fast ein halbes Jahrhundert her, dass ich Goetz-Michael Glitscher kennengelernt habe. Er hat mich in meinem Heimatort Nordhausen als Turnerin entdeckt, was schließlich dazu führte, dass ich mit 10 Jahren zur Kinder- und Jugendsportschule nach Halle kam. Dort war er von Beginn an auch mein verantwortlicher Trainer. Was folgte, waren zehn sehr intensive und wechselvolle Jahre Leistungssport als Turnerin. In dieser Zeit ist eine ganz enge Beziehung gewachsen, denn wir verbrachten ja viel mehr Zeit mit den Trainerinnen und Trainern, als mit unseren Familien. Sein Verdienst und Anteil an meiner Persönlichkeitsentwicklung und den sportlichen Erfolgen bis hin zum Gewinn der olympischen Bronzemedaille in Montreal 1976 ist sehr bedeutend! Die gewonnenen Erfahrungen und die Erlebnisse aus dieser Zeit beeinflussen bis heute mein Leben. Ich konnte ihn viele Jahre als meinen Trainer, anschließend dann als Trainerkollegen und auch später als Cheftrainer erleben: Als Trainer war er ein hervorragender Motivator und Mobilisator, streng, konsequent, lösungs- und zielorientiert, als Kollege u. a. ein guter Planer und Organisator, dabei teamfähig und weitsichtig und als Cheftrainer mit den nötigen Führungskompetenzen ausgestattet, dabei direkt und effizient. Aber das Wichtigste, was ich bis heute an ihm schätze: Als Mensch war und ist er immer offen und ehrlich, respektvoll, ein guter Zuhörer und mitfühlend und, er lässt sich nicht verbiegen. Er und seine Frau sind für mich ganz besondere und liebe Menschen in meinem Leben. Heute sehen wir uns persönlich leider nicht mehr so häufig, aber der Kontakt ist nach wir vor immer noch lebendig. Ich freue mich schon sehr auf das Wiedersehen am 2. April in Halle..."
Ex-Turnerinnen 2005 zu Besuch in den USA bei ihrem Trainer Götz Glitscher:
* v.li.: Gitta Wagenknecht-Escher, Richarda Schmeißer, Margret Gerlach-Schüler
Margret GERLACH-SCHÜLER: "Meine Laufbahn als Turnerinbegann ich 1969 erst bei Sigrid Glitscher (ehemals Schieke) und bei Herrn Bräutigam. Später, mit dem Wechsel in die Meisterklasse, wurde Goetz Glitscher mein Trainer. (Das ist schon kurios. Sigrid war meine erste Trainerin und er, Goetz, mein letzter Trainer.)
... vor Götz hatte ich ziemlichen Respekt: Immerhin trainierte er damals mit Richarda Schmeißer, eine unsere damaligen Spitzenturnerinnen!
Götz war mehr als 'n u r ' unser Trainer: Er verlangte vollen Einsatz und vollste Konzentration im Training! Er hat uns beigebracht, mit Problemen umzugehen bzw. diese zu lösen. Nicht nur das Training war ihm sehr wichtig, nein auch außerhalb dieser harten, aber sehr schönen Zeit, hat er uns begleitet. So hatten wir eine tolle Kindheit und Jugend, wunderbare Erfolge, aber auch Enttäuschungen – Verletzungen usw..
Zu unserem Trainer konnten mit allen Dingen kommen, über alles sprechen. Er hatte immer einen klugen Tipp parat. Vor allem, er war immer positiv eingestellt, zu jeder Sache, egal was es war. So ist es bis heute! Er begleitete Gitta Escher und mich nach Cuba 1975. Ich belegte zwei mal den ersten Platz. Das war ein bleibendes sehr schönes Erlebnis ...!
Nach der Wende blieb der Kontakt bestehen, mal mehr, mal weniger. Als beide in die USA als Trainer bzw. später als Lehrer gingen, hatten sie uns eingeladen. Gitta, Richarda und ich entschlossen uns, sie 2006 zu besuchen. Der Empfang war grandios. Der Abschied fiel uns allen sehr sehr schwer .... Tränen liefen ...!
Auch während meiner schweren Erkrankung blieben wir in Kontakt – telefonisch oder haben uns über das Internet verständigt (gescyped).
Er war für mich mehr als nur ein Trainer. Heute sage ich: Ich zehre von dieser phantastischen Zeit, in der er ein Trainer, Lehrer, Freund, und vielleicht auch wie ein Vater für uns war. Ich habe sehr viel von ihm für mein eigenes Leben gelernt."
Heute lebt Götz-Michael GLITSCHER in Leipzig. Seine geplante Geburtstagsfeier mit vielen ehemaligen Turnfreunden musste er zwar aus Corona-Gründen absagen, hat aber vor, selbige zu einem geeigneteren Termin in diesem Jahr nachzuholen ...!
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♦ ... Junge, wie die Zeit vergeht:
Ein glücklicher Jubilar einst zum 65. Geburtstag inmitten seiner so erfolgreichen Turnerinnen:
Götz-Michael Glitscher in mitten seiner einstigen Schützlinge: |