Michaela Röhrbein |
Nach einer Amtszeit von weniger als sechs Jahren (Vorgänger Peter Wullenweber war über ein Vierteljahrhundert im Amt) verlässt die Generalsekretärin des zweitgrößten deutschen Sportverbandes DTB, Michaela RÖHRBEIN, bereits wieder diese Stelle (- ab 1. April), um beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) den Vorstandsposten Sportentwicklung einzunehmen. Überraschend kommt dieser Wechsel allerdings nicht. Kritische Stimmen außerhalb und innerhalb des Turnverbandes hatten bereits seit Jahren vermutet, dass diese DTB-Funktion wohl nur eine Zwischenstufe der persönlichen Karriereleiter der 47-jährigen Michaela Röhrbein sein würde, die zuvor und zuletzt Erfahrungen als wissenschaftliche Miarbeiterin im Hannoveraner Hochschulsport gesammelt hatte ..:
Während in der heutigen DTB-Pressemitteilung Präsident Alfons Hölzl den jetzigen Amtswechsel als "schmerzlich" bezeichnet, stellt sich Michaela Röhrbein über ihre Tätigkeit selbst ein vorwiegend positives Zeugnis aus:
"Ich freue mich aber, dass es uns in dieser Zeit gelungen ist, die facettenreiche Turnbewegung bedeutend zu stärken und mit der DTB Strategie 2029 die Verbandsbereiche zukunftsfest weiterzuentwickeln und Handlungsfelder sowie Services neu aufzubauen. Dabei haben wir auch die Bundesgeschäftsstelle neu aufgestellt, vielfältige digitale Innovationen eingeführt, unseren Auftritt in den digitalen Medien gelauncht und wirksam ausgebaut, den Kultur- und Strukturwandel Leistung mit Respekt angestoßen und Formate wie die DTB Denkfabrik unter großer Beteilung der Sportfamilie, Politik und Gesellschaft etabliert".
Dass in diese Zeit auch die erstmaligen Nichtteilnahmen zweier olympischer Turndisziplinen (Trampolinturnen, Rhythmische Gymnastik) bei den Olympischen Spielen in Tokio fielen, dass der DTB sich mit noch immer zweistelligen Millionenschulden weiterhin in schwierigem finanziellen Fahrwasser befindet, und dass sich Generalsekretärin, Präsident und das gesamte Verbandspräsidium mit einer katastrophalen Menschenführung im Falle der Causa Chemnitz und der Trainerin Gabriele Frehse eine schmerzhafte Baustelle hinterlassen haben, wurde mit keinem Wort erwähnt! Im Gegenteil:
"Kultur- und Strukturwandel Leistung mit Respekt angestoßen ..."
- ... steht zwar beim DTB auf dem Papier, heißt aber eben auch: ... ist noch längst nicht realisiert!
Da ist z. B. die weniger als nur unglückliche Personalentscheidung, sondern eher als Fauxpas zu bezeichnende Installation eines "vorbelasteten" niederländischen Kunstturntrainers auf dem deutschen Cheftrainerposten zu beklagen, da sie im Zusammenhang bzw. im Widerspruch zu ungelösten verbandsinternen Problemen wie "ein Schlag ins Gesicht" aller Betroffenen wirkt, zumal sie in einem eben erst erschienen LEON*-Interview (siehe unten) doch so kluge Standpunkte zur Vermeidung von Gewalt in der Trainingspraxis äußert:
"Neben der Etablierung von Präventions- und Interventionskonzepten auf verschiedenen Ebenen müssen wir unmittelbar vor Ort wirksam werden, d. h. wir müssen viele, viele Personen erreichen. ... Deshalb müssen wir viele Gespräche führen, partizipative Prozesse aufsetzen. Trainer und Athleten und im Leistungssport die weiteren verantwortlichen Personen an den Stützpunkten involvieren - Olympia- und Bundesstützpunktleitungen, Physiotherapeuten, Psychologen, Ärzte und natürlich auch Eltern von Athleten ...." ( - aus LEON* Ausgabe 01/2022; S. 10-12).
Wie wahr, in der Rhetorik. Papier ist geduldig! Aber wieso dann dieser Widerspruch in praxi ..:
Michaela Röhrbein wird sich nun wohl vom Posten der Turn-Generalsekretärin verabschieden - ohne z. B. bis heute je ein persönliches Wort mit der Trainerin Frehse gesprochen zu haben, geschweige denn auf der "Baustelle Chemnitz" überhaupt vor Ort gewesen zu sein, trotzdem aber mit Vehemenz die Suspendierung und Beschädigung der Lebensleistung einer Meistermacherin betrieben zu haben, für deren Rechtfertigung es keinerlei justiziable, also keine juristisch relevante, Argumente gab!
Ihren Einsatz für gewaltfreie Kultur im (Spitzen-)Sport in allen Ehren - von "einem guten Händchen" ihres Agierens im Spitzensport kann letztlich mitnichten die Rede sein, wenn man den "Scherbenhaufen" des ehemals besten deutschen Leistungsstützpunktes Chemnitz und seine traurigen Turnerinnen betrachtet. Dafür hätte es für echte Problemlösung vor allen Dingen viel mehr sensiblen, professionellen Sach- und Fachverstandes in Leistungssportfragen bedurft!
DOSB-Präsident Thomas Weigert freut sich jedenfalls auf seine neue Mitarbeiterin im Breitensport und "... dass sie aufgrund der wertvollen und vielfältigen Erfahrungen, die sie als Generalsekretärin beim DTB gesammelt hat, ein Gewinn für den DOSB ist und dem Bereich Sportentwicklung neue Impulse geben wird!"
Doch derzeit ist beim Turner-Bund noch gar keine neue und geeignete Führungspersonalie in Sicht, weder in der Verbandsspitze, noch vor Ort in Chemnitz, dort, wo auch eben erst Bundesstützpunktleiterin Dr. Katrin Werkmann die Turnszene in Richtung freie Wirtschaft verlässt ...!
Wenn man allein die offiziellen Verlautbarungen beider Seiten (DOSB & DTB) betrachtet, ist es doch immer wieder verblüffend, wie man sich im deutschen Funktionärswesen am Ende doch immer wieder so herrlich gegenseitig belobigen und "bebauchpinseln" kann.
(C) gymmedia / Eckhard Herholz
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* P. S.:
Im aktuellen, eben erst erschienen Turn-Fachmagazin LEON* hatte Michaela Röhrbein im Gespräch mit Sandra Schmidt eben erst ein ausführliches, dreiseitiges Interview gegeben. In Ergänzung zur aktuellen Personalie schreibt dazu nun LEON-Chefredakteur Andreas Götze:
♦ Der „General“ verlässt die DTB-Leitstelle
... die Röhrbein gibt LEON* noch ein Interview und verlässt dann das sinkende Schiff.
Die Generalsekretärin des DTB Michaela Röhrbein wechselt zum Deutschen Olympischen Sportbund und übernimmt dort die Position des Vorstandes für Olympische Sportentwicklung. Das gab der DTB heute bekannt und begründete die vorzeitige Vertragsauflösung damit, man wolle einen positiven Beitrag zur Neuaufstellung des DOSB leisten.
Noch in der aktuellen Ausgabe von LEON* 01/2022, die dieser Tage erschienen ist, äußert sich die 47-jährige DTB-Generalsekretärin in einem Interview zu sportpolitischen Problemen des DTB und antwortet auf die Frage, wie das Verhältnis zwischen DTB und DOSB sei: „Das Verhältnis zum neuen DOSB-Präsidenten Thomas Weikert lässt sich sehr positiv an, ebenso zum neu berufenen Vorstandsvorsitzenden Torsten Burmester …“ Man weiß nun auch, warum. Und es ist zu hoffen, dass ihre in LEON* formulierten sportpolitischen Ansprüche schnellsten von einem Nachfolger (m/w/d) umgesetzt werden.
Ist der Spitzensport im DTB überhaupt noch zu retten? Ich glaube eher nicht!
* Andreas Götze
LEON*-Chefredakteur