'... keine außerirdischen Athleten!'
Aus Anlass des DTB-Pokals informierte heute FIG-Präsident Bruno Grandi in Stuttgart über den Stand der Pläne für die Reform des Wertungssystems. Künftig soll im Kunstturnen die bisherige 'Traumnote 10' nicht mehr als Höchstpunktzahl das Maß aller Dinge sein. 'Selbst 17 oder 18 Punkte sind theoretisch möglich', erläuterte Grandi (Italien) in Stuttgart .
Die FIG-Spitze will nun am Wochenende die letzten Veränderungen beschließen. 'Wir sind zu 99 Prozent fertig, und es wird kommen', so Grandi. Allerdings hält der FIG-Chef die unbegrenzte Steigerungen der Wertungen für den Schwierigkeitsgrad von Darbietungen für ausgeschlossen: 'Wir werden keine außerirdischen Athleten bekommen.'
Athleten sollen wieder Künstler werden!'
Durch die getrennten Wertungsbereiche Schwierigkeit (A-Note) und Ausführung (B) soll erreicht werden, dass '...aus Athleten wieder Künstler werden, und das Turnen wieder zur Kunst wird!', so Präsident Grandi.
Die durch die jahrzehntelang im vierjährigen Olympiarhythmus stets optimierten und weiterentwickelten Wertungsbestimmungen war die Schraube spitzfindiger Reglementierungen so weit zugespitzt worden, dass es immer schwieriger wurde, im Spitzenbereich die Leistungen der Athleten ausreichend zu differenzieren.
Turnen von A - F
Zudem nervten die ständigen Um- und Abwertungen der SChwierigkeit der Elemente selbst die innere Szene derart, dass selbst Spezialisten des einen nicht 100% alle Details des anderen Gerätes verstanden. Künftig werden Turnelemente ein für alle Mal einer Schwierigkeitsgruppe von A (leicht) bis F (superschwer) zugeordnet und bekommen dafür einen festen Indexwert.
Von besondere Bedeutung wird jedoch die Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen A- und B-Wert sein. Es gibt nicht wenige Kritiker, die in den neuen Regeln schon jetzt die Entwicklung des Turnens zur Extremsportart befürchten und im Griff zum unbeherrschten Risiko Gefährdung von Gesundheit und Substanz gar der ganzen Sportart sehen.
Befürworter allerdings sehen in der konsequenten Anwendung der B-Note als qulitatives Korrektiv die Chance, nicht nur dieser latente Gefahr von Beginn an zu begegnen, sondern gar wieder eine Rückverlagerung von bloßer Schwierigkeits-Addition zurück zur Ästhetik.
Künftig ist gar Trainern das Einlegen von Protesten gestattet. In solchen Fällen können Kampfgerichte auf Videoauswertung zurückgreifen.
Der 'Bock als Gärtner...'?
Die Macher des nun ab Jahresbeginn 2006 einzuführenden neuen 'Code de Pointages' standen bislang unter dem strengen Druck des IOC, das nach den Wertungseklats von Athen dringende Veränderungen abforderte. Im Dezember kommen nun ca. 100 Wertungsexperten aus aller Welt nach Leipzig zum ersten 'interkontinentalen Kampfrichterkurs', wo der Turnpraxis faktisch die neue 'Turnbibel' offiziell übergeben werden und erläutert werden soll.
Anfang 2006 dann folgen in Deutschland die ersten nationalen Kurse und Weiterbildungen für Frauen (Bergisch-Gladbach) und Männer (Bad Blankenburg) und dann die mit über einjähriger Verzögerung schmerzlichst erwarteten Praxistests.
Ausgerechnet die Amerikaner, die die heftigste Gegenwehr artikulierten und die am Wertungsdenkmal 10,0 unbedingt festhalten wollten, ausgerechnet die müssen beim ersten internationalen Wettkampfauftakt 2006, dem American Cup (- diemals nicht als Weltcup, sondern als Mehrkampf geplant - ) die internationale Premiere des neuen Codes vollziehen. Ein Zurück aber ist ohnehin nicht möglich, also muss in jedem Falle nun das Beste daraus gemacht werden.
E. Herholz