Holger Behrendt: Blumen zum Abschied |
Ein wenig Wehmut schwang da schon durch die Turnhalle des SC Berlin, als der Olympiasieger Holger BEHRENDT von seinem geliebten Trainerberuf Abschied nahm, und mit Blumen von seinen Kollegen und Schützlingen verabschiedet wurde. Der aus Schönebeck an der Elbe stammende 56-jährige verdienstvolle Turntrainer geht zurück in seine alte Heimat nach Sachsen-Anhalt: "Hauptgrund ist allein die Tatsache, dass ich mich intensiv um meine kranke Mutter kümmern will, was aus der Ferne letztlich nicht möglich ist...!"
Dabei gilt er insbesondere im Nachwuchsbereich des Kunstturnens als ein ausgewiesener Spezialist und einfühlsamer Pädagoge, bei dem in den letzten Jahren seiner Tätigkeit in Cottbus und im letzten Jahrzehnt in Berlin ganze Jahrgänge talentierter Jungen den Weg in die nationalen Kaderkreise des DTB fanden. So begann einst der aktuelle Deutsche Juniorenmeister Nils Matache ebenso bei ihm, wie zuvor auch solche Talente und nationalen Hoffnungsträger wie Daniel Schwedt, Milan Hosseini, David Schlüter oder Tore Beissel ...!
Holger BEHRENDT war 1988 - nach Helmut Bantz (1956), Klaus Köste (1972) und Roland Brückner (1980) - der vierte deutsche Turn-Olympiasieger(1988, Ringe) nach dem zweiten Weltkrieg und der letzte der DDR, der aus Seoul als einziger Athlet mit einem kompletten Olympiamedaillensatz nach Hause kam:
Gold an den Ringen, Silber mit der Mannschaft und Bronze am Reck. Zählt man all' die Meriten des damaligen Potsdamer ASK-Turners bei drei Europameisterschaften und zwei Weltmeisterschaften sowie seine 8 Deutschen Meistertitel zusammen, ist er eigentlich nominell einer der erfolgreichsten deutschen Turner der Geschichte, und ist zudem immer auch einer der bescheidensten dazu geblieben.
Der gelernte Metallbauer und Kunstschmied arbeitet nach seiner aktiven Laufbahn später als Trainer in Potsdam, danach in Cottbus und seit 2012 sehr erfolgreich beim SC Berlin.
Unfassbar, dass er nun mit seiner Qualifikationin einer solch komplexen Sportart, die nichts dringlichster braucht, als hochqualifizierte und versierte Trainer, verlassen soll oder gar verloren ginge ...?!
Holger Behrendt sagte dazu: "Ab Januar 2021 bin ich zunächst erst einmal arbeitslos und will mich erstrangig um meine erkrankte Mutter kümmern. Natürlich hängen noch immer Hirn und Herz an meiner geliebten Turnerei. Ob es dann in Sachsen-Anhalt vielleicht wieder eine Möglichkeit gibt, dieser Leidenschaft auch wieder beruflich nachgehen zu können ... man wird sehen. Jetzt erst mal tut der Abschied aus Berlin auch ziemlich weh: Ich hatte hier eine gute Zeit!"
♦ Mehr zu der außergewöhnlichen Sportlerkarriere des Holger Behrend hatten wir schon aus Anlass seines letzten runden Geburtstages zusammengetragen:
►► "Holger BEHRENDT feierte sein halbes Jahrhundert"
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Abschied oder Neustart ...?
Ob das, was eigentlich wie ein schmerzhafter Abschied klingt, nicht auch eine positive Wendung nehmen könnte? Das ist zumindest die Vision des Ex-Bundesligaturners und agilen Turn-Landestrainers in Halle, Nico TANDEL: "Einen solchen Mann, mit solch außergewöhnlichen Qualifikation, wie Holger Behrendt, den könnten wir in Sachsen-Anhalt gut brauchen! Alle Welt jammert, wenn man Talente in unserer Sportart zu früh in Internaten betreuen muss. Wenn man aber z. B. einen qualitativ gut geführten Talentestützpunkt in Magdeburg oder Umgebung hätte, wäre das auch sehr zum Vorteil unseres Leistungszentrums beim SV Halle, das dann später ab Kasse 5 z. B. die Talente weiterentwickeln könnte...! Eigentlich sind alle Zeichen dafür positiv, jetzt fehlt nur noch ein engagierter Verein vor Ort, der eine solche, vom DTB zertifizierte Talenschule, mit aufbauen würde. Einen Olympiasieger als hochqualifizierten Macher hätten wir dann schon, und die Begeisterung ist auch vorhanden!"
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Wenn sich die momentanen Pandemiewellen im neuen Jahr gelegt haben, vielleicht gibt es dann neben aktuellen Berichten von "einer halben Turn-Nationalmannschaft", die sich aktuell mit den deutschen Nationalturnern Lukas Dauser, Nick Klessing und Nils Dunkel beim SV Halle auf Olympische Spiele vorbereitet, dazu passend auch wieder positivere Nachrichten aus der viel zu oft vernachlässigten Welt der Turntalente zu berichten. Die ist nämlich wesentlich emotionaler und begeisterungsfähiger, als sie momentan (mal wieder) anderenorts von den Medien be"spiegelt" wird.
Sachsen-Anhalts Turn-Landestrainer Nico Tandel jedenfalls gilt als durchsetzungsstark und begeisterungsfähig. Der wird sicher nicht locker lassen, denn ein arbeitsloser Olympiasieger Holger Behrendt ist nun das Letzte, was Sport-Deutschland zulassen sollte!
(C) gymmedia / Eckhard Herholz
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* Lesen Sie dazu auch den Artikel in der Volksstimme
► Ein Virtuose im Turnsport (02.12.2020)