28. September 2005
Bad Blankenburg / Thür.
Gerätturnen
Deutsche Olympia- und WM-Riegen beim Traditionstreffen
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Jacoby, Fülle, Fürst, Friedrich, Lyhs vom deutsch-deutschen Olympiateam Rom 1960
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Gelebte Turngeschichte...
Erstmals sahen sie sich zwei Tage vor der Deutschen Einheit am 1. Oktober 1990 wieder, damals aus Anlass des historisch ersten Wettkampfes eines wiedervereinten Sportteams nach der Wende: "Kunstturn-Masters 1990" in der Olympiahalle München, Turner Ost+West gegen UdSSR und USA.
Seither haben sich die deutschen Männerturnriegen der Olympiajahrgänge 1960/64 und der WM-Riegen 1958/62 bereits weitere vier Mal getroffen,
<< ... am letzten Wochenende, nun bereits zum 5. Mal, in Thüringens Sportschule Bad Blankenburg....
WM-Teilnehmer (DDR 1958) Wolfgang Gipser (Greiz) bei der Eröffnungsrede in Bad Blankenburg
Vom Klassenkampf zum Freundeskreis
Die deutsche Geschichte hat vielseitige Facetten. Einst kämpften sie zwar sportlich und keineswegs immer fair in unterschiedlichen politischen Lagern auch um Plätze in den deutsch-deutschen Olympiamannschaften der sechziger Jahre gegen und manchmal auch miteinander....
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Olympiariege Rom 1960: (v.l.:) Günter Jacoby (E), Siegfried Fülle, Philipp Fürst, Karl-Heinz Friedrich, Günter Lyhs ... es fehlt: Erwin Koppe; Günter Nachtigall (verstorben)
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So standen sie in Rom (1960) und Tokio (1964) in den damals deutsch-deutschen Olympiariegen - gebildet aus den Turnern des "Deutschen Turnverbandes DTV der DDR" und des "Deutschen Turner-Bundes DTB" der BRD.
Nach zuvor unsäglichem "Hauen und Stechen" in deutsch-deutschen Ausscheidungsturnen kamen dann schließlich doch gemeinsame deutsche Olympiariegen zusammen, die z.B. in Rom den 7. Platz errang - Günter Lyhs war damals bester Einzelturner (26.)
Nach Tokio 1964 reiste dann erneut eine in kräftezehrenden und nervenraubenden Ausscheidungswettkämpfen ermittelte Olympiariege, die aus vier DDR-Turnern und zwei bundesdeutschen Athleten bestand, und die hinter Japan und der UdSSR eine vielbejubelte Bronzemedaille errang:
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... aus der Bronze-Riege Tokio 1964 (v.l.:) Günter Lyhs, Siegfried Fülle, Peter Weber, Philipp Fürst... es fehlen: Klaus Köste, Erwin Koppe
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Auch bei diesen vor-olympischen Ausscheidungsturnen prallten förmlich zwei Welten aufeinander, waren doch die jeweiligen Turner unterschiedlicher Systeme bei den Weltmeisterschaften zuvor in Moskau (1958) und in Prag (1962) jeweils erbitterte Gegner.
Zum Glück hat nun der Lauf der Geschichte die einstigen Gegner längst zusammengeführt und schon längst nicht mehr bestimmen nur die alten Geschichten die Gespräche bei den Traditionstreffen.
Zwei Tage vor der deutschen Einheit, am 1. Oktober 1990 sah man sich zum ersten Male wieder. Der Anlass war der historisch erste Wettkampf nach dem Fall der Mauer einer wiedervereinten Sportmannschaft: Eine gesamt-deutsche Turnriege Ost/West empfing damals in der Münchener Olympiahalle die Nationalriegen der (noch) UdSSR und der USA; der DTB hatte aus diesem Anlass die letzten gesamt-deutschen Riegen der Olympiajahrgänge 1960/64 eingeladen...
Aber den eigentlichen Anstoß für regelmäßige Treffen gab 1997 der ehemalige Cottbuser Cheftrainer Bernd Heide: Hatte diese Einladung damals aus dem Westen nur Willi Jaschek ernst- und wahrgenommen, schwärmte er gegenüber seinen "West"-Kollegen dermaßen, dass dann sich daraus eine regelmäßige Traditionspflege entwickelte:
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Bernd Heides Idee: Zum ersten Versuch kamen 1997 nach Cottbus: v.l.: Willi Jaschek, Peter Weber, Klaus Köste, Rolf Bauch (verst.), Ute Kahlenberg-Starke, Ellen Berger (verst.), Heinz Neumann, Birgit Michailoff-Radochla
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1. Treffen der 58'er WM-Teilnehmer Nachdem man sich aus Anlass der 1994er-WM in Dortmund bereits einmal wiedergesehen hatte, war dann der langjährige DHfK-Hochschullehrer
Professor Dr. Otto Stark einer der Mit-Initiatoren und
Fritz Böhm - mit Platz 18. bester deutscher Mehrkämpfer zur WM '58 in Moskau - der erste Gastgeber für das
1. Treffen am Tag der Deutschen Einheit im Oktober 1997 im Glasbläserstädchen Lauscha in Thüringen.
Zum 2. Traditionstreffen waren längst schon die Olympiariegen 1960/64 und das WM-Team von Prag 1962 in diesen Kreis integriert, als man sich 1999 in Fohrenbühl bei Rottweil traf:
Herbert Schmitt aus der DTB-Riege 1957 - der EM-Dritte am Boden von Paris 1957 - war der Gastgeber...
Das 3. Treffen 2001 organisierte dann in seiner ehemaligen Heimat Pirna der unvergessene und leider
viel zu früh verstorbene Prof. Dr. Klaus Zschunke, und immer vollständiger wurde der Kreis der Gäste, boten doch die Gasdtgeber inzwischen attraktive Programme, auch zum Kennenlernen der deutschen Heimat:
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3. Treffen, Pirna 2001: (v.l.:) Fritz Böhm, Klaus Zschunke (verst.), Heini Kurrle, Herbert Schmitt, Wolfgang Gipser, Siegfried Fülle, Günther Lyhs, Erwin Koppe, Gottfried Stark, Philip Fürst, Günther Jacobi
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Zum 4. Mal vereinte man sich 2003 in Deidesheim in der Pfalz beim Gastgeber Günter Jacobi - besuchte die Bantz-Stadt Speyer, den Dom natürlich auch, erlebte so manche Wein- und Wurstprobe, und beschloss, sich dann erneut in Thüringen in zwei Jahren wiederzusehen.
Diese aktuelle Treffen 2005 nun fand in der Sportschule Bad Blankenburg statt, wo auch starke Wurzeln des DDR-Turnens an einer der ersten früheren Kinder- und Jugendsportschulen lagen, wo z.B. der Erfinder des "Jägersaltos" Bernd Jäger seine ersten Turnversuche machte....:
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Im 'Champions Pub' der Blankenburger Sportschule: (v.l.:) Günther Lyhs, Frau Tippelt und Ehemann Frank, Frau Weber und Ehemann Peter
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Aber dieses heute moderne Sporthotel (!) war gewissermaßen nur das Basislager, denn die beiden Thüringer Fritz Böhm und Wolfgang Gipser hatten ein Sightseeing-Programm vom Feinsten organisiert: Besichtigungen (Porzellanmanufaktur und Talsperre), Burgenbesuche (Heidecksburg Rudolstadt), Grillabend - ein Verwöhnprogramm auch für die Gattinnen der ehemaligen deutschen Turngrößen, die schon längst alle zu einer großen Familie zusammengerückt sind.
So ist es schön zu erleben, wie auch der härteste Leistungssport der kämpferischen Jugendzeit die wirklichen Werte des Sports auch nach Jahren immer stärker hervortreten lässt..
Bericht: GYMmedia/E. Herholz