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Vera Ewald-Matschulat im Gespräch mit Museumschef Wolfgang Turowski |
Animiert von den revolutionären Entwicklungen und nachfolgenden internationalen Erfolgen des sowjetischen Kunstturnens der frühen fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts, zog man auch in der DDR frühzeitige Konsequenzen im Aufbau der Trainings- und Vereinsstrukturen. Spätestens Anfang des 6. Jahrzehnts begannen sich mit dem Gewinn des 1. Europameistertitels (Sprung) durch die Leipzigerin Ute Starke (-Kahlenberg) in ihrer Heimatstadt (1961) die spitzensportlichen Weichenstellungen auszuzahlen. Bei Weltmeisterschaften hinterliesen Vera Ewald, Ingrid Föst und Birgit Radochla erste bemerkenswerte Spuren, die dann zu den Olympischen Spielen 1964 in Tokio sich auch erstmalig in Medaillen niederschlugen. Akteurinnen und Mitgestalter dieser Anfangszeiten und der Folgejahre fanden sich kurz nach der politischen Wende zusammen und pflegen seit über zwei Jahrzehnten ihre ganz persönlichen Erinnerungen an ihre aktiven Zeiten bei Traditionstreffen, so wie in dieser Woche zum 21. Male in Berlin, d e r Stadt, die einst einmal als die erfolgreichste "Welt-Hauptstadt des modernen Frauenturnens" - zumindest mit den meisten Erfolgen - galt ...
Zum 21. Mal in den letzten zwei Jahrzehnten traf sich eine repräsentative Elite des DDR-Frauenturnens, die - beginnend mit den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts - neben der Sowjetunion und später Rumänien, zu den Spitzennationen des modernen Welt-Kunstturnens gehörte, in Berlin zu einer dreitägigen Erinnerungstour. * Foto: >> Click for Big
Die einstigen Initiatoren dieser jährlichen Traditionstreffen, die Leipzigerinnen Ute Kahlenberg-Starke und Roselore Sonntag, hatten eine Bustour in die Hauptstadt organisiert. In Berlin engagierte sich insbesondere als Gastgeber und Organisatoren Maritta Grießig -Bauerschmidt und ihr Gatte.
* von links: - Ingelore Zacharias-Walther - einst Leipziger Turnerin, Ehegatte Hans-Jürgen Zacharias, der sich in vielen seiner nationalen Funktionen sehr um die deutsche Turneinheit bemüht hat und Maritta Grießig-Bauerschmidt aus dem olympischen Bronzeteam der DDR von Mexiko 1968.
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Es entstanden drei wunderschöne Tage des Zusammenseins und der Pflege alter Erinnerungen. Der Bürgermeister von Hönow gab den Damen die Ehre eines Empfanges, der Direktor der legendären Pferderennbahn Berlin-Hoppegarten stellte Geschichte und Gegenwart dieser einzigartigen Anlage in einer eindrucksvollen Führung vor.
Schwer beeindruckt waren dann die über 20 Damen dieses historischen Turn-Trosses, die einst nicht nur im Osten Deutschlands, sondern in der internationalen Turnwelt für Schlagzeilen sorgten, auch vom Besuch des Gründerzeit-Museums: "Von den turbulenten Lebensjahren und dem Schicksal eine Charlotte von Mahlsdorf hatte ich zwar schon viel gehört, aber dann in ihrenm einstigen Wohnaus vor all den historischen Dingen und Einrichtungen zu stehen, das war schon etwas Besonderes!" - äußerte sich Ex-Weltmeisterin Erika Zuchold nachdenklich, j e n e, die in den sechziger Jahren als erste Frau der Welt den Mut hatte, einen Flick-Flack auf dem Schwebebalken zu wagen und damit eine völlig neue, revolutionäre Entwicklung der Akrobatisierung des Balkenturnens einleitete.
Das Köpenicker Rathaus und die Eskapade des einstigen Hauptmanns von Köpenik gehörten ebenso zum Berliner Besuchsprogramm, wie auch das besondere Sportmuseum Marzahn-Hellersdorf, wo Wolfgang Turowski , Geschäftsführer des Bezirksportbundes Marzahn/Hellersdorf und sein Team einzigartige Sammlungen und Insignien der DDR-Sportgeschichte zusammen getragen haben ....:
Ex-Sportecho-Journalist und "Flick-Flack"-Autor Hans-Jürgen Zeume vor der Olympiabekleidung der einstigen Turnerinnen: Links, in Gelb, die Jacke von Maritta Bauerschmidt der letzten gemeinsamen deutschen Mannschaft in Mexiko-City 1968; rechts, die Kampfricherbekleidung (blau) von Vera Ewald-Matschulat als FIG-Kampfrichterin 1964 in Tokio - allesamt wie neu, in textilem Bestzustand ...!
Hier im Sportmuseum Hellersdorf-Marzahn, im Hause des Bezirkssportbundes in der Eisenacher Straße wurden und werden durch viele Veranstaltungen das historische Erbe, wie auch die Gegenwart des Sports in Deutschland - auf eine einzigartige Art gepflegt, denn nach Untergang des politischen Systems DDR ist ein seriöser Blick auf das einstige "Sport-Wunderland" aus deutscher Sportgeschichtsschreibung nicht wegzudenken, und seriös bedeutet eben auch, dass sich der Blick zurück nicht allein auf politische Abrechnung beschränken darf:
* von links: Magdalena Jacob-Schmidt - Olympiabronze 1968, gemeinsam mit Marianne Paulick-Noack, die zudem noch Vize-Weltmeisterin mit der DDR-Riege in Ljubljana (1970) war sowie Deutsche Sprungmeisterin der DDR 1969 - hier beim Signieren historischer Kostbarkeiten des Sportmuseums.
++ Der Sport in der DDR wurde, mit all seiner Einbindung in und seinem Missbrauch durch das politische System seiner Zeit, eben auch von beseelten und fachlich hoch-qualifizierten Menschen mit Herzblut betrieben und realisiert. Und ein Teil davon - und nicht der unattraktivste - waren eben auch jene Turnerinnen, Trainerinnen und Kampfrichterinnen der ehemaligen Spitzen-Turnnation DDR, die unter z. T. schwierigsten Bedingungen Weltklasse waren und die die sich ihre Erinnerungen nicht nehmen lassen wollen.
(... und vielleicht gibt es sogar schon ein neuerliches Wiedersehen noch in diesem Jahr, nämlich zum Deutschen Jahnturnfest am 23. August, wo sich mit stetig wachsender Teilnehmerschar alles trifft, was jemals ernsthaft an die Geräte gegangen war, unter dem Motto, mit Augenzwinkern:
... wer nie in Freyburg war, hat n i e geturnt!!")
(c) Eckhard Herholz, GYMmedia