Köste, Quaas, Bauer und über 1100 fitte Turngäste ... |
Nur eine Woche nach Olympia: ... was war das wieder für ein Fest der Sportart Gerätturnen in Freyburg an der Unstrut!!
Die Stadt des Turnvaters Jahn beherbergte über 1.100, vorwiegend aktive Vertreter der ältesten olympischen Disziplin, die sich mit Vehemenz und erstaunlicher Vitalität dem drohenden Rückgang der wirklich noch Turnenden im Lande entgegenstemmen.
Und tatsächlich: Immer mehr Olympiasieger, Welt-, Europa- und Deutsche Meister aus fünf Jahrzehnten nutzen zunehmend diesen weltweit einzigartigen Gerätturnwettkampf aller Altersklassen - von 14 - 90 (!) Jahren - und kehren zurück in den Schoß d e r Turnfamilie, die sie einst einmal in Richtung Spitzensport entwickelt und entsandt hat.
<< Deutschlands ältester Turn-Olympiasieger Klaus Köste (Leipzig), der Welt älteste Turn-Wettkämpferin Johanna Quaas (Halle) und der Mann mit sage und schreibe 600 (!) Wettkämpfen, Siegfrid Bauer (Markkleeberg) ...
TURNPLATZ NATUR
Fotos: (C) GYMmedia / R. Nugel / S. Branser / Gerhard Quaas
... wieder im Trend: |
... sie waren nur einige der bemerkenswerten Teilnehmer des 90. Jahnturnfestes 2012 in der Rotkäppchen-Stadt Freyburg / Unstrut.
Von Freitag bis Sonntag bevölkerte dieser besonders aktive Teil der Turnfamilie, unter die sich zunehmend auch ausländische Teilnehmer mischen, die Stadt des Weines und eben des Turnvaters Jahn, der hier seinen letzten Wohnort und dann die letzte Ruhestätte fand.
An zwei Wettkampftagen ging man hier gestaffelt nach Alters- und Leistungsklassen an die Geräte, konnte am Jedermanns-Turnen teilnehmen, den leichtathletisch-orientierten Jahnlauf nutzen oder sich mehr touristisch am Freyburger-Turnfest-Orientierungslauf beteiligen.
Manche und nicht wenige, kommen des Wiedersehens und der Geselligkeit wegen, für die das deutsche Turnen bekannt ist und gerühmt wird.
Krawalle, Ausschreitung ....? Fehlanzeige!
Von einigen zwischenzeitlichen Erscheinungen vorwiegend "fremder Elemente" letzter, vergangener Jahre abgesehen: Wieder war der Turnerball im Lichthof der Sektkellerei einer der stimmungsvollen Höhepunkte eines sehr friedferigen aberum so feierfreudigen deutschen Turnervolkes, um das es so manch' andere Sportverbände beneiden sollten!
Einer der Höhepunkte war am Samstag dann wieder die Wettkampfeinheit der Seniorinnen und Seniorenklassen.
Ältester Teilnehmer mit fast 89 Jahren war Ottmar Thier vom TuS 1919 Medebach.
Johanna - die Einmalige ...!
Bei den Frauen begeisterte die seit Frühjahr durch die Medien weltweit bekannt gemachte Johanna Quaas, die mit 86 Jahren erstaunliche Schwierigkeiten mit einer noch erstaunlicheren Leichtigkeit vollführt, die so manche Schülerin oder Abiturientin mehr als erblassen lassen sollte ...!
* GYM-Tube-Video --:
Schulterstand, Taucherrolle, Stützwaage und Fechterflanke am Barren oder
Hüftaufschwung, Umschwung, Mühlumschwung, Unterschwung am Tiefreck oder
gar Handstand zum Abrollen auf der Schwebebank - dies dürfte ihr wohl weltweit keine andere Seniorin so leicht nachmachen.
* GYM-Tube-Video --:
"Freyburg - das ist seit Jahren der Hauptwettkampf und emotional der wichtigste Wettkampf für mich! Und es ist nicht nur der Sport, den ich betreibe, sondern das gesamte Umfeld, die vielen Freunde und das gesamte Lebensgefühl, das durch das Aktivbleiben so mit sich bringt", fasst sie begeistert ihre mitreißende Motivation zusammen.
Und tatsächlich hat sich bisher weltweit noch kein gleichaltiges weibliches Wesen gefunden, das mit ihr konkurrieren könnte.
" ... und dabei würde ich gern an Senioren-Welt- oder Europameisterschaften teilnehmen!"
Leider gibt es die momentan noch nicht.
Warum kommen nicht einfach mehr dieser fitten Turn-Seniorinnen und Senioren nach Freyburg ...?
Auch mit ihrer aktuellen Bodenübung liefert diese außergewönlich agile Hallenserin ein Beispiel nahezu verblüffender Koordinationsfähigkeit, Athletik und weiblicher Eleganz, die dazu auffordern, sich neue Gedanken über Grenzen menschlicher Leistungsfähigkeit zu machen:
* GYM-TUBE-Video -- :
(C) gymmedia
Johanna (86), Siegfried (74), zusammen knackige 160 Lenze alt! |
Siggi Bauer - Markkleeberger TurnlegendeDa wurde einer für seinen 600. urkundlich belegten, weil im Wettkampfbuch echt eingetragenen Wettkampf geehrt.
Der 74-jährige Markkleeberger Siegfried Bauer:
"Seit 1954 an steht mein erster drin, da hatte ich aber auch schon einige Wettkämpfe ohne Eintrag gemacht!" - so der athletische Mit-Siebziger, der in seiner Heimatstadt einst auch die "Internationale Senioren-Gala" ins Leben gerufen hatte, und die nun seine Nachfolger weiterführen.
Auch er wurde in diesen Freyburger Tagen für diesen, seinen "nationalen Wettkampfrekord" geehrt, der sicher auch Einmaligkeitscharakter besitzt.
Siggi Bauer (74) in Aktion, begutachtet von Johanna Quaas (86) |
Olympiasieger Klaus Köste, der 'Held von Mexiko Willi Jaschek, der Leverkusener Ex-Reck-Vizeweltmeister Wolfgang Thüne und Ex-Vize-Europameister Hubert Brylok - bei 'Jahn' vereint ...! |
Mekka der TurnfamilieImmer mehr ehemalige Leistungssportler aus Ost und zunehmend West buchen sich rechtzeitig am vorletzten Augustwochenende für ihren ganz speziellen Wochenendausflug in der Wein- und Jahnstadt ein.
Es ist nicht nur die herrliche Gegend im Unstruttal, sonder das Wiedersehen mit alten Freunden, mit denen man einst gemeinsame Wege gegangen ist. Einst haben sie auseinandergeführt, weil das leistungssportlich betriebene Kunstturnen etwas andere Gesetzen folgt. Aber bei fast allen ist ein Turnkeim in die Seele gepflanzt worden, der sie zurückkehren lässt zu den Vereinen, die sie einst als Talente in eines der Top-Zentren delegiert hatten.
Nun nach Jahren, sieht man sich wieder:
Entweder aktiv am Gerät, wie Olympiasieger (1972) Klaus Köste, der im 70. Lebensjahr steht oder Friedhard Beck (Deutscher Reckmeister (DDR) 1976), ...
Olympiasieger Klaus Köste: ... wer kann schon noch mit fast 70 einen Flickflack?? |
... der in seiner Mit-Fünfziger Altersklasse hier gewann oder man kommt einfach nur zu "Shake-hands" oder den innigen "Lange-nicht-gesehen-Umarmungen".
Und so mancher lässt sich sogar wieder infizieren unter dem Motto: "... Mensch, das hätte ich doch auch noch drauf".
Da sah man nicht nur einen Klaus Köste in Aktion (Foto, li.) sondern
auch aus den 50'er Jahren Turnerinnen der ersten Stunde wieder, wie Ingrid Großmann-Piepenburg, die in ersten Länderkampfriegen der DDR stand, oder Barbara Stolze-Dix und Christel Wunder-Felgner aus der 1964'er Tokioter Olympiariege - übrigens einst Schützlinge der damaligen halleschen Trainerin Johanna Quaas.
Wiedersehen nach langer Zeit: Aus der 1964'er Olympiariege |
Die Berlinerin Heike Rietz-Gehrisch war da, die 1974 in Warna in der silbernen WM-Riege der DDR stand und lange Jahre auch in Freyburg aktiv weiter an die Geräte ging und hier noco lange mit ihrem mutigen Flickflack auf dem Balken brillierte...!
Mit Beifall begrüßt wurde wieder die erste Frau der Welt mit dem Flickflack auf dem Balken (1964), Erika Zuchold, die 1970 Weltmeisterin wurde und 1972 in München Olympiasilber gewann.
Michael Nikolay, der 3-fache Olympiamedaillengewinner, Weltmeister am Pauschenpferd (1981 und Weltcupsieger (1977) im Small-Talk am Mikrofon |
Bei den Männer vertrat der Held von Mexiko, Willi Jaschek (TSV Heusenstamm) die alten Bundesländer, für deren Olympiateam er 1968 trotz Risses der Achillesehne am Boden weiter alle Geräte durchzog, um der Mannschaft den 8. Platz abzusichern. Aus Leverkusen reiste der Reck-Vize-Weltmeister von 1974, Wolfgang Thüne an. Der 10-fache Deutsche Turnmeister - u. a. 3x Mehrkampfmeister in der damals geteilten deutschen Welt - hatte danach die DDR verlassen und seine Herkunft aber eigentlich nie so richtig vergessen können.
Wer erinnert sich nicht an die damals einzigen in der Weltklasse turnenden Zwillinge, Michael und Jürgen "Keule" Nikolay? Der eine wurde Pauschenpferd-Weltmeister 1981 in Moskau (Foto, rechts). Der andere brillierte u. a. als Deutscher Reckchampion. Auch wenn beide gehörigen Abstand zu ihrer einstigen sportlichen Hauptbeschäftigung genommen haben: Ihre Freyburg-Anwesenheit sagt aber:
Trainer Reiner Nugel und sein Leipziger Schützling Damaravy Westphal, Gewinner des Deutschland-Cups 2012 |
Da ist doch noch irgendwas, was hierher zieht und Bestand hat. Wer weiß ...?!
Wer weiß, ob und wie sich das künffig noch mehr herum spricht, dass man sich hier wiedersieht! Da gibt es doch so viele, die einst in Kinder-, Jugend- und Juniorenklassen geturnt haben. Auch davon sah man in Freyburg einige, wie Kai Dittmar und Sven Schilling, ehemelige Spartakiadesieger vom früheren SC Chemie Halle, die dann ihren Weg in rheinischen Bundesligavereinen weiter gingen.
Auch der Trainerstand war und ist aktiv zum Freyburger Klientel zu zählen. Halles Trainergilde war wieder stark vertreten, angeführt von Heinz Pehlke, der auch iin Brasilien seine pädagogischen Spuren hinterlassen hatte, Matthias Legler, Reiner Nugel, Rolf Wünsche, Lutz Wiedemann, Peter Nikolaus - allesamt Experten ihrer Zunft, wie auch immer noch Ex-Vize-Europameister Hubert Brylok, der noch heute hart am Mann dran ist.
FREYBURGER STARPARADE 2012: |
Keiner ist sich zu schade, hier in der Organisation die Rädchen mit am Laufen zu halten.
So eben schließen sich die Kreise!
Darin liegt auch die Stärke dieser über 200 Jahre alten deutschesten aller Sportarten: Ihr familiärer Charakter!
Von Kluften zwischen Leistungssport und und Breitensport war hier - bei aller inhaltlichen und Strukturunterschieden - nichts zu spüren.
Darin sollte man eine gewaltige und keineswegs überall schon genutzte Chance dieses riesigen 5-Millionen-Turnverbandes sehen.
Die Freyburg'sche Philosophie ist also keine staubige, historische Jahn-Klamotte!
Wie sagte doch der Präsident der Jahngesellschaft, Hansgeorg KLING, auf die Frage, " ... wo denn die Jugend sei, wenn man heute über Jahn rede...:
"Ja, dann gehen sie doch hoch auf den Turnplatz, da ist die Jugend doch bei Jahn: an den Geräten!"
Ein hoffnungsvoller Ansatz!
(c) gymmedia (-ehe-)
* ERGEBNISSE: 90. Jahnturnfest 2012 (Downloads)
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