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Wie in kaum einer anderen Sportart hängen im modernen Kunstturnen die Leistungs- und Charaktermerkmale von Spitzenathleten stark vom Persönlichkeitsprofil der Trainerinnen oder Trainer ab. Eine solche außergewöhnliche Persönlichkeit der einst weltberühmten Leipziger Turnschule war und ist Helmut GERSCHAU, der seit Ende der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts bis zur politischen Wende zahlreiche Turnerinnen der Messemetropole zu international herausragenden Leistungen führte und der heute seinen 80. Geburtstag begeht.
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Vater Gerschau beim Training |
... schwer war es zu Beginn!
Am 19. Oktober 1933 bei Königsberg geboren, der Vater blieb im Krieg, seine Mutter starb recht früh, Flucht vor den Russen im Viehwaggon ... bekam Helmut Gerschau als Kind die ganze Unmenschlichkeit des II. Weltkrieges mit, kam mit 11 Jahren zu einer ihm fremden Frau auf Sylt,, später für 11/2 Jahre zu einer fremden Familie auf ein Dorf bei Wismar. Als Kind aber kam ihm dies alles eher wie ein großes Abenteuer" vor. Trotzdem spürte auch er, wie schwer es Flüchtlingen fiel, sich zu integrieren.
Noch bis heute hat sich der nordische, angenehme Slang seiner Stimme auch im Leipziger Raum erhalten.
Anfang der Fünfziger war zunächst die damalige "Kasernierte Volkspolizei" seine erste Station in der DDR, wo er als 17-Jähriger auch erstmals mit den "Turnergesellen" in Kontakt kam. Deren weiße "Schäferhosen" und ihre Exaktheit imponierten dem Jugendlichen mächtig, ihre Aktionen empfand er als sehr ästhetisch und das animierte ihn selbst aktiv zu werden.
Das führte ihn dann zum damaligen Leistungszentrum der späteren Nationalen Volksarmee, zum Armeesportklub (ASK) Potsdam, zu Cheftrainer Rolf Bauch.
Helmut Gerschaus erste Stelle als Übungsleiter bzw. Trainer für Frauenturnen war aber dann schon in Leipzig, erst an der Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK), später dann in Paunsdorf (bei Leipzig), dort, wo noch heute seine Heimat ist. Auch wenn der Beginn und das Training in einer Baracke alles andere als luxeriös war, er bezeichnete dies als "seine schönste Zeit"! Hier hatte er z. B. Kontakt mit der sowjetischen Turnlegende Natalja Kutschinskaja, die als Gasttrainerin ihre Erfahrungen weitergab.
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Helmut Gerschau führte als verantwortlicher Trainer viele DDR-Nationalmannschaften in den Wettkampf |
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Schon mit seinen ersten Leistungsgeneration setzte er turnhistorische Akzente, gehörten doch z. B. die spätere erste deutsche Europameisterin Ute Kahlenberg-Starke (EM 1961, 1. Sprung) zu seinen Schützlingen, sowie die Nationalmannschaftsturnerinnen Eva Brehme, Maritta Bauerschmidt, Ursula Trensinger, Gerda Adloff und Balken-Weltmeisterin Erika Zuchold. Nach damaligem Reglement durften sich aber Männertrainer im Frauenturnen nicht öffentlich zeigen, zumindest waren sie nicht als Betreuer auf dem Podium bei Wettkämpfen zugelassen, so dass sie auch immer ein wenig "unter Wert" vor der Öffentlichkeit blieben. Nichtsdestotrotz leisteten sie die Hauptarbeit im Trainingsalltag und bei so mancher Erfindung des Frauenturnens. So war es z. B. Helmut Gerschau der die Olympiapflichtübung für Montreal 1976 schrieb, und auch der sog. "Leipziger Handstand" am Stufenbarren stammt aus seinem Kopf, bzw. auch aus seiner Feder, denn seine künstlerischen Begabungen äußerten sich in ästhetischen Figuren trainingsmethodischer Schriften und Programme und waren berühmt!
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Kerstin Kurrat: ... manchmal spüre ich heute noch sein Streicheln an der Wange!
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Auch die Folgegenerationen verdanken ihrem Trainer Gerschau viel, wenn sich auch der "Pillenknick" in den siebziger Jahren auf besondere Weise auch im modernen Kunstturnen bemerkbar machte: Denn auch die Teenies der DDR wurden selbstbewusster, ihre Führung wurde für die Trainer bei der Durchsetzung der Leistungsziele nicht einfacher. Oft musste dann eben auch "der Freund" zugelassen werden, wenn auch manchmal nur "zähneknirschend. Aber die Mädchen dieser Jahrgänge, wie Steffi Kräker oder Marion Kische, wussten sich auch durchzusetzen und so entstand insgesamt zwischen dem "Psychologen" Gerschau und ihnen ein nahezu ideales Vertrauensverhältnis, wie das seine Tochter Kerstin Kurrat-Gerschau - die Vize-Europameisterin am Boden (London 1973) noch heute beschreibt: "Ja, er war schon der Psychologe, der vor allem mit Worten, seiner Sprache und viel Witz regierte... ich sehe ihn noch heute vorwiegend im Sessel beim Training sitzen, den er nur selten verließ, trotzdem aber absolut alles im Griff hatte ...!"
Ein Mann großer Ideale!
Helmut Gerschau hat in erster Linie für seine Sportart gearbeite, für deren Ideale, nie fürs Geld. Reich ist er deshalb in der DDR nie geworden. Abgesichert, ja das war man in diesem Teil Deutschlands. Olympia aber, hat dieser Mann nie selbst erleben dürfen. Da fuhren andere hin. Währenddessen machte er z.B. Urlaub. Was seine Turnerinnen dann in München oder Montreal machten, dass versuchte er am Strand per Radioreportage zu erfahren, hing doch von deren Erfolgen auch in der DDR die Einstufung des Trainergehaltes und des Status ab .... Mitfahren zu den großen Wettbewerben, das passierte eher selten. Als einmal die Frankfurterin Franka Voigt einen Wettkampf in Spanien hatte, verzichte Helmut Gerschau zugunsten seines Trainerkollegen Helmut Schwarzbach, damit der einmal seinen Schützling betreuen konnte -
Auch die Mädchen seiner letzte Trainingsjahrgänge, wie Bettina Schiefferdecker, Jana Vogel, Birgitt Senff oder Tanja Köste waren allesamt von internationalem Spitzenniveau, kamen aus seinen Händen und repräsentierten mit dieser "Leipziger Turnschule" absolute Weltklasse im globalen Frauenturnen.
Im 57. Lebensjahr kam die politische Wende und für ihn ein plötzlicher, messerscharfer beruflicher Einschnitt: Vorruhestand! Man wurde nicht mehr gebraucht, einfach für "nicht weiter verwendbar" erklärt! Für einen Mann der Ideale, wie Helmut Gerschau, etwas Unfassbares!
Nur schwer war dieser Absturz zu verkraften war er doch beruflich noch längst noch nicht am Ende.
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Helmut Gerschau in Japan: Auch hier ließ er sich nicht verbiegen ...! |
Noch einmal kam Hoffnung auf, als Helmut Gerschau ein Job-Angebot Anfang der 90'er Jahre aus Japan erhielt. Für 5 Jahre sollte er dort gemeinsam mit seiner Ehefrau Regina die japanischen Mädchen für die Weltmeisterschaften 1995 in Sabae vorbereiten. Was folgte, waren zwei sehr erfolgreiche Jahre, auch weil er dort erstmals auch als Spitzentrainer ordentlich bezahlt wurde. Und weil er dort versuchte, die schwierigen Umstände, unter denen die japanischen Mädchen sich befanden, menschlich abzufedern: Oft waren die Turnerinnen weit von ihren Eltern entfernt, oft tausend Kilometer und mehr, waren in ihrer Freizeit zumeist ohne jegliche Betreuung, im Winter oft mit unpassender Kleidung, so dass Familie Gerschau auch außerhalb des Trainervertrages Großes leistete...
Als aber Helmut Gerschau sich nach zwei Jahren weigerte, "härtere Methoden" bei der Leistungsentwicklung anzuwenden, wurde sein Vertrag vorzeitig gelöst. Ein chinesischer Coach übernahm dann das Amt ...!
Als Helmut Gerschau die WM 2011 in Tokio als Gast besuchte, traf er auf Eltern dieser Kinder von damals, die ihren Dank trotz langer Anreise persönlich bei ihm abstatteten!
Viel zu langer, unfreiwilliger Ruhestand!
Damals, 1992, mit seinen erst 59 Jahren, hatte man bei Rückkehr für den Experten und Spitzenturntrainer in Deutschland keine Verwendung. Um existenziell zu bestehen, musste ein solcher Mann jahrelang seine Rente aufbessern, irgendwie ....! Auch dies sind - und gar nicht so selten - ostdeutsche Einheitsgeschichten, die man bei der Bewertung von Geschichte keineswegs vergessen sollte...!
Seit Jahren lebt er nun in Leipzig, viel spielt sich in seinem Garten ab, doch die eigene Turnkarriere besteht nicht nur aus bloßen Erinnerungen, sondern lebt in vielen, noch immer herzlichen Beziehungen, die seine ehemaligen Kollegen und Schützlinge zu ihm haben und pflegen. Das wird der Jubilar besonders heute, an seinem runden Geburtstag im Hotel Paunsdorf spüren: Da steppt nicht nur der "Leipziger Löwe", da agiert auch eine Showdance-Gruppe aus Teltow, angeführt von seiner noch immer aktiven Tochter Kerstin Kurrat-Gerschau, der es gelungen ist, so manchen prominenten Überraschungsgats ins Kostüm und in Bewegung zu bringen. Das Motto: "In 80 Jahren rund um die Welt!"
Herzlichen Glückwunsch, Helmut Gerschau, einem der ganz Großen der deutschen Trainerzunft!
(c) gymmedia / -ehe -
... fast 100 Gäste aus seiner Familie und seinem bewegten und engagierten Turner- und Trainerleben kamen da am Samstag zur Geburtstagsparty im Hotel Paunsdorf zusammen. Einer der Höhepunkte war die durch Tochter Kerstin Kurrat-Gerschau choreografierte Show-Dance-Einlage, gestaltet von Tochter und Enkelinnen und ergänzt durch die ehemaligen Turnstars Erika Zuchold, Steffi Kräker und Bettina Schieferdecker, allesamt einst Gerschau-Schützlinge ...:
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