Die erste WM des neuen Olympiazyklusses ...
Gut fünf Wochen nach dem Jahreshöhepunkt des Weltturnsports, den TURN-WELTMEISTERSCHAFTEN in London, fasst der GYMmedia-Korrespondent und langjährige Kunstturntrainer in Deutschland und der Schweiz, Dieter HOFMANN, diesen Höhepunkt des nacholympischen Jahres mit einer Nachbetrachtung zusammen:
"London erwies sich nicht nur als guter WM-Gastgeber, sondern machte Lust auf die olympischen Turn-Wettkämpfe an gleicher Stelle in drei Jahren!"
Der jeweils dreimalige rumänische Bodenweltmeister Marian DRAGULESCU erkämpfte sich als erster Turner der Geschichte seinen jeweils vierten WM-Titel an Boden und Sprung und avancierte somit zum erfolgreichsten Turner dieser WM, rehabilitierte sich damit für die bei den Olympischen Spielen erlittene Niederlage und schlug am Boden Olympiasieger ZOU Kai (CHN).
Alle anderen Siege bei den Männern gingen an vier verschiedene Chinesen:
Am Pauschenpferd erwartungsgemäß an ZHANG Hongtao, der Europameister Krisztian BERKI (HUN) schlug, an den Ringen an YAN, Mingyong vor Oldie Jordan JOWTSCHEW (BUL), am Barren an WANG, Guanyin und am Reck an Olympiasieger ZOU, Kai, mit sensationellem Schwierigkeitsgrad (7.5 A-Wert) vor dem ebenfalls exzellenten Niederländer Epke ZONDERLAND ...
Gold an Favoritin, Debütantinnen und Gastgeberin
Die Stufenbarren-Olympiasiegerin von Peking, HE Kexin aus China war am ersten Tag der Gerätefinals in London nicht zu bezwingen und gewann den Titel, vor der Überraschungturnerin dieser WM, Koko TSURUMI, die nach Mehrkampf-Bronze nun nach 43 Jahren erstmals wieder eine WM-Silbermedaille für Japan gewann. Bronze ging an Rebecca BROSS (USA und Ana PORGRAS aus Rumänien. Zuvor hatte Sprung-Europameisteri Ariella KAESLIN mit Silber die überhaupt erste Schweizer WM-Medaille im Frauenturnen geholt und sich nur von der US-Debütantin Kyla WILLIAMS schlagen lassen.
Der letzte Finaltag brachte den zweiten chinesischen Erfolg durch DENG, Linlin (Balken) und das viel bejubelte erste britischen WM-Gold am Boden durch die aktuelle Europameisterin Beth TWEDDLE...
Zum zweiten Mal in der Geschichte nach 2005 gab es einen US-amerikanischen Doppelerfolg bei der Mehrkampfentscheidung einer Turn-WM.
Nach einem dramatischen Sturz der bis vor der letzten akrobatischen Bodenreihe führenden Qualifikationsbesten Rebecca BROSS (57,775) zog ihre Landsfrau und Olympiateilnehmerin von 2008, Bridget SLOAN (57,825) vorbei und gewann mit 57,825 Punkten die Goldmedaille - Silber für Bross.
Die Überraschung des Tages war auch die erste Mehrkampfmedaille für das japanische Frauenturnen durch Koko TSURUMI,die mit 57,175 einen beeindruckend stabilen Vierkampf absolvierte. Chinesinnen, Rumäninnen und auch Russinnen waren mit zu vielen Instabilitäten nicht im Medaillenbereich.
Ariella KEASLIN aus der Schweiz dagegen erkämpfte sich einen stolzen achten Rang unter den Top Ten der Welt. Nach Sturzpech am letzten Gerät wurde die Deutsche Meisterin Kim BUI 23. der Konkurrenz ...
Nach den Turngiganten der siebziger Jahre Eizo Kenmotzu (1970, Lubljana), Shigeru Kasamatsu (1974, Warna) und nach Hiroyuki Tomita zuletzt 2005 in Melbourne, erkämpft sich nun der 22-jährige Kohei UCHIMURA als vierter Japaner die Turnkrone als bester Mehrkämpfer.
Mit einem Start-Zielsieg und ohne allzu heiße Konkurrenz verwies er den jungen Briten und Vize-Europameister Daniel KEATINGS mit gut 2,5 Punkten Vorsprung auf Rang zwei, der unter dem Jubel in der Londoner O2-Arena die erste Mehrkampfmedaille bei einer WM für Großbritannien errang.
Bronze ging an den dritten der Europameisterschaft, an Juri RJASANOW aus Russland, der mit einem Zehntel Punkt Vorsprung den zweiten Japaner, Kazuhito TANAKA auf den Ehrenplatz verdrängen konnte.
Der lange Qualifikationstag der Frauen bei diesen 32. Tielkämpfen in der O2-Arena endete mit einer überraschenden Führung der US-Amerikaneri Rebecca BROSS mit 57,400 Punkten vor der Rumänin Ana PORGRAS (57,300) und der starken Australierin Lauren MITCHELL (56,675).
Die Schweizerin Ariella KAESLIN als Neunte und Kim BUI (GER; 16) qualifizierten sich für das Mehrkampffinale. Kaeslin steht auch im Sprungfinale, während die 15-jährige WM-Debütantin Elisabeth SEITZ das Mehrkampffinale nur um 0,775 Punkte verpasste. Anja Brinker wurde nur 22. an ihrem Spezialgerät Barren ...
WM-Topfavorit mit Außenbandriss
Wie bereits gestern gemeldet, zog sich der Mehrkampf-Vize-Weltmeister von 2007, Fabian Hambüchen (GER) im Podiumtraining am Sonntag in der Londoner O2-Arena beim Bodenturnen einen Aussenbandriss im linken Fuss zu. Weil er sich bei der missglückten Landung nach einer Akrobatikbahn keinen Knochen brach, kommt er zwar um eine Operation herum. Hambüchen hätte in London den Titel am Königsgerät Reck verteidigen und sich den Traum von Mehrkampf-Gold erfüllen wollen.
So sind auch seine hochgradig erwarteten Teilnahmen als "Zugnummer" bei der Drittauflage der Championstrophy in Hannover, am Swiss Cup 2009 und dem DTB-Pokal ebenso kein Thema mehr, wie auch seine Einsätze in der Herbstserie der Deutschen Bundesliga.
Ohnehin wurde eine derartige Wettkampfhäufigkeit, die ihn 2009 bislang sogar stärker beanspruchte, als im Olympiajahr (!), von Trainingsexperten des Kunstturnens bereits seit längerem kritisch angemerkt.