Der "Fall der Katerina Luschik" hat eine Reihe zahlreicher Reaktionen ausgelöst. Alle sind stark individuell und emotional gefärbt. Das leuchtet ein. Manche, wenige, bagatellisieren, ohne Kenntnis der konkreten Umstände unter dem Motto: ... He, reg' dich nicht auf, ... so ist das ist eben im Leistungssport (?), ... da musst Du durch, ... durchhalten, ...um 'oben' anzukommen!?
Die meisten allerdings unterstützen den Mut der Betroffenen: "... na endlich mal eine, die den Mund aufmacht, und sagt, was viele längst wissen oder am eigenen Leibe erfahren haben", und bewundern Mutter und Tochter für den Mut und die Konsequenz ihrer Schritte, dies öffentlich zu machen, auch wenn die (juristische) Beweislage kompliziert wird...!
Um es gleich vorweg zu nehmen: Hier geht es nicht um Leistungssport an sich, sondern um dessen Gefährdung bzw. um dessen Missbrauch! Dafür gibt es viel zu viele kluge, gute und engagierte Trainer und Übungsleiter in den Vereinen, die sich gemeinsam mit ihren zumeist begeisterten Schutzbefohlenen schrittweise den zweifellos Grenzbereichen physischer, koordinativer und mentaler Leistungsfähigkeit zu nähern versuchen. Leider werden aber immer auch wieder Fälle von Unbotmäßigkeiten bei der Auswahl der Mittel bekannt, pädagogische Missgriffe, bis hin zu seelischen und psychischen Grausamkeiten. Gerade bei hochqualifizierten Fachleuten in der Trainerbranche muss dies konsequent ausgeschlossen werden! Leider gab es in der Vergangenheit immer wieder Fälle der Vertuschung und des Verschweigens.
Einerseits ist es gut, wenn sich der Deutsche Turner-Bund, der sich "humanen Leistungssport" auf seine Fahnen geschrieben hat, um "ernsthafte Klärung" bemüht.
Andererseits ist es aber mehr als befremdlich, wenn gleichzeitig in internen Dienstberatungen vor Ort - wie leider auch wieder in diesem Falle bekannt wurde (!) - die dort Tätigen mit einem Schweigeverbot belegt wurden. So versteht man erst richtig die Wahl der Mittel der Familie Luschik, mittels polizeilicher Anklage diese "Mauer des Schweigens" - aus welchem inneren Antrieb heraus auch immer - zu durchbrechen! So ist es zu hoffen, dass auch im Nationalzentrum RSG-Gruppe verantwortungsbewusste Menschen gibt, die ja auch Mütter und Väter sind, und die zum Schutze der ihnen anvertrauten Jugendlichen und Kinder offensiv handeln.
Gerade w e i l Stuttgart im kommenden Jahr Austragungsort der Weltmeisterschaften ist, bedarf es einer kompromisslosen Klärung dieser (und solcher) Fälle generell!
Und außerdem: Die schönste aller Frauendisziplinen im modernen Sport ist viel zu wertvoll und ästhetisch - wenn auch knüppelhart und keineswegs nur zu permanentem Lächeln geeignet - und sollte deshalb von wahrhaft "aufgerichteten, starken Persönlichkeiten" getragen und präsentiert werden, als dass man solche abartigen und erniedrigenden Methoden ihnen gegenüber akzeptieren dürfte, wie sie im Fall Luschik geschildert werden - unabhängig von etwaiger strafrechlicher Relevanz.
Hier muss ein Fachverband nicht nur auf trainingsmethodische Qualifikationen allein, sondern auf deren charakterlichen Qualitäten seiner Trainergilde achten und stärkere Einflussnahme auf deren pädagogische Erfahrung und deren psychologisches Wissen nehmen!
Auch darf allein die Tatsache der Existenz fremdländischer Studienabschlüsse oder die Herkunft aus einer gymnastischen Topnation allein kein Freibrief für kontrollfreies Agieren im neuen Dienstbereich sein! Da gibt es in anderen Bereichen, wie Medizin, Wissenschaft oder Wirtschaft, ganz andere Gepflogenheiten betreffs Zulassung bzw. Beurteilung von Eignung!
Wie ernst die Lage tatsächlich genommen wird, unterstreicht die Tatsache, dass für heute (24. Juni) eine vom Innenministerium anberaumte Sitzung in Fellbach-Schmiden stattfindet. Warum dort allerdings nicht Mutter und Tochter Luschik dazu geladen sind, ist schon irritierend, denn immerhin behauptet ja die Gegenseite, dass alle Anschuldigungen "komplett aus der Luft gegriffen" seien.
* Eckhard Herholz
* Chefredakteur GYMmedia INTERNATIONAL
+++ PRESSEREAKTIONEN +++
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