27. Februar 2015  
Berlin-Pankow  
Happy Gymnastics

Olympiastadt Berlin: Bier statt Turnen ... ?

Eigentlich schien es doch den Hauptstädtern klar, spätestens beim 200. Jahrestag des Deutschen Turnens 2011, so dachte man. Da feierte man doch in der Berliner Hasenheide die Geburtsstunde des Deutschen Turnens und gedachte natürlich auch des Begründers des ersten deutschen Turnplatzes, Friedrich Ludwig JAHN, auf sehr komplexe Weise, wie man das einer solch historischen und durchaus widersprüchlichen Person eben schuldig ist. Doch gerade jetzt geschehen in einer Stadt, die sich eben für Olympia bewirbt, wieder sehr nachdenklich machende Dinge ...:

Friedrich Ludwig Jahns bleibende Werte der Schaffung der Grundlagen einer Körperkultur des ganzen Volkes, der Entwicklung des Turnens als komplexes Element bei der Erziehung von Jugend und Gesellschaft überragen bei Weitem die oft dem damaligen Zeitgeist geschuldeten politischen und z. T. nationalistischen Seiten seiner Argumente und seines "heißblütigen Charakters"...
In ihrer sogenannten "kritischen Auseinandersetzung mit dem Namensgeber" betreibt die Schule in sträflichst oberflächlicher Weise eben genau das, was sie eigentlich den anderen vorwirft: Sie selektiert einseitig die "Problemseiten Jahns" aus heutiger Sicht und interpretiert sie negativ im Verhältnis zu Jahns Werten von historischem Bestand. Diese werden andererseits - so Direktorin Dellas - " ... einseitig von den Befürwortern des Turnvater Jahns" in den Vordergrund gestellt. Aber Geschichtsverläufe  s i n d  vorwiegend widersprüchlich! Gerade deren Vermittlung und dessen Verständnis machen auch den Bildungswert für Schüler aus!!
Wenn das mal eine nachfolgende Lehrer-Eltern-Schülergeneration nicht eben wieder anders sieht, dann nennt man wohl die Schule eben einfach wieder um ....??
(Nicht dass das nun auch die Leipziger spitzkriegen und ihre Jahn-Alle (zwischen der ehemaligen Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) und dem Stadion gelegen) wieder umbenennen: Die hieß nämlich mal "Stalin-Allee" und noch früher "Hitler-Allee".)
Was soll also der missbräuchliche Hinweis auf den wertvollen Begriff "demokratischer Prozess" - das ist eher oberflächlicher Populismus!
So geht das aber nicht: Die Nazis missbrauchten den Turnvater ebenso fragmentarisch, machten aus dem volkstümlichen einen völkischen Jahn, wie auch zu DDR-Zeiten ein Jahnbild vorwiegend im Sinne des Sozialismus interpretiert wurde.

Heute jedoch sollte Geschichtsbetrachtung grundsätzlich anders aussehen:
Friedrich Ludwig Jahn ist und bleibt eine erinnerungswerte und damit wertvolle Person der Geschichte, was die Auseinandersetzung mit ihrer Widersprüchlichkeit einschließt.
Dass gerade deutsche Schulen diese Chance der differenzierten Geschichtsbetrachung mit "sinnentleerten Umbenennungen" aus dem Wege gehen, ist leider eine erschreckend traurige Tatsache und entspricht  n i c h t  dem Bildungsauftrag einer Kulturnation!
Dass zu allem Übel von einer Stadtverwaltung dafür noch der öffentliche Segen erteilt wird, setzt dem Ganzen noch die Krone auf!
Von einer Olympiastadt Berlin erwartet man einen qualifizierteren Umgang mit deutscher Sportgeschichte!
* Eckhard Herholz
- Chefredakteur GYMmedia INTERNATIONAL

 * siehe auch "Berliner Kurier" am 23. 02. 2015:
Turnvater Jahn Grundschule schämt sich für Namenspatron
Warum wird die Jahnschule umbenannt?  ( "B.Z.")
... und nun auch die Berliner Zeitung, mit:
Rolle rückwärts (26. 02.)

* Inzwischen gibt es auch einige späte (und z. T. typische) Politikerreaktionen:
- so Timm-Christopher Zeelen (CDU), Vize-Vorsitzender des Sportausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus, der den Beschluss der Schule zwar für falsch hält, ihn aber respektiere... (- Aha, lerne: " wenn man etwas für falsch hält, es aber trotzdem respektiert, dann ist man Politiker ...??)
- oder Björn Eggert (SPD), Sportpolitiker im Abgeordnetenhaus, der eine Anhörung zu Jahn im Sportausschuss anregte ... (- na, immerhin, 204 Jahre nach der Hasenheide, ganz schön aktuell, die Jung's ...!!). Vielleicht soll man nun auch noch den Jahn-Sportpark umbenennen, der stand ja auch schon mal auf einer emsigen Umbenennungs-Agenda ...?
* Das zuständige Bezirksamt Pankow war da wesentlich flotter mit seinem tollen Beschluss (Dez 2014):
Beschluss Bezirksamt Pankow* (Dez 2014)
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* Ein Blick zurück ...
Vor 16 Jahren, kurz vor der Jahrtausendwende, vollzog in Hamburg ebenfalls eine Friedrich Ludwig Jahn-Schule die Umbenennung in die heutige "Ida Ehre Gesamtschule. Damals argumentierte der Sporthistoriker Prof. Dr. Harald Braun von der Universität Bremen wie folgt gegen die Argumente einer Umbenennung:
►► Plädoyer  f ü r  Friedrich Ludwig Jahn