Johanna Quaas - Botschafterin der "Mutter der Sportarten" |
Zur Verblüffung der ca. 300 Teilnehmer der 3. Athletik-Konferenz in der Sportschule Hennef bei Bonn (2.-4. Sep. 2016) trat dort u. a. die 90-jährige Wettkampfturnerin Johanna QUAAS aus Halle / Sa. auf. Einen Tag nachdem sie zum 18. Mal das "Goldene Sportabzeichen" in ihrer Heimatstadt Halle / Sa. abgelegt hatte, überzeugte sie mit dem Beispiel ihrer sensationellen Barrenübung die junge Athletik-Trainergeneration bildhaft, dass konditionelle und koordinative Eigenschaften nicht nur im Sichtungs- und Auswahlprozess und im Hochleistungsalter von Bedeutung sind, sondern einmal erworben, bis ins allerhöchste Alter abrufbar sind. Damit fand die bereits auf der 1. und 2. Athletikkonferenz angemahnte Paradigmenerweiterung des Athletiktrainings auf die Integration koordinativer Bewegungsinhalte ihren sichtbar wertvollen Ausdruck.
♦♦ Koordinationstraining durch Turnen als der "Mutter der Sportarten"
Der Medienberater von J. Quaas, Eckhard Herholz referierte über die Komplexität der Vermittlung von konditionellen und koordinativen Fähigkeiten in den verschiedensten Lebensetappen des Vorschulalters, des frühen, mittleren und späteren Schulalters, bis hin in den Seniorenbereich. Dabei verwies der frühere Kunstturntrainer auf die Notwendigkeit der Einbeziehung pädagogischer und psychologischer Prinzipien und ethisch-moralischer Grundsätze, ohne die ein Athletiktraining in Gefahr gerät, zum bloßen Selbstzweck ohne ausreichende Wirkung auf Leistungsperspektiven der jeweiligen Sportart zu bleiben.
* Johanna Quaas (90) bei ihrer beeindruckenden Barrenübung, die sie im Rahmen ihres
turnerischen Vierkampfes (Barren / Tiefreck / Turnbank / Boden) beherrscht.
... auch Balltraining bedarf ergänzender athletisch-koordinativer Ausbildung! |
Herholz verwies zu Recht darauf, dass er das Gerätturnen für so etwas wie die "Mutter der Sportarten" hält und bewies mit dem Beispiel dieser außergewöhnlichen Seniorensportlerin Johanna Quaas, dass dies sowohl vom frühesten Kindesalter bis hin in die letzte Lebensphase gilt.
"Ich halte die Missachtung, u. z. T. Streichung bzw. Reduzierung des Grundlagenturnens an den Geräten im Schulsport für eine regelrechte Schande eines modernen Bildungssystems", sagte der Ex-Trainingswissenschaftler, der im letzten Jahrzehnt der DDR an einer Dissertation zum Thema koordinativer Fähigkeiten im Nachwuchsleistungssport forschte und dessen Athleten aus diesem System modernen Nachwuchstrainings nach der politischen Wende als Top-Turnathleten in den gesamtdeutschen Nationalriegen standen.
Dabei verallgemeinerte er praxisnahe Trainingsbeispiele aus dem Grundlagentraining derart, dass sie auch von den vorwiegend im Athletikbereich der Spielsportarten arbeitenden Rezipienten dieser Athletikkonferenz in deren eigene Arbeit transformiert werden können.
♦♦ Der komplexe Charakter des Athletikbegriffs
So sollte eigentlich auch heute jeder Trainer wissen, dass Athletik nicht einseitig und allein Kraft oder Beweglichkeit oder Schnelligkeit oder Ausdauer bedeutet:
Konditionelle Fähigkeiten können und müssen durch ein Überpotenzial an koordinativen Fähigkeiten werden! Ihr Maß bestimmt dann wesentlich die erhöhten Qualitäten effektiver, leistungssportlicher Techniken. Darauf wiesen auch einige andere Referenten hin, dass es beim Athletik-Begriff um dessen Systemcharakter geht, insbesondere unter Anwendung ethisch-moralischer, pädagogischer Maßnahmen, psychologischer Methoden unter Anwendung didaktischer Prinzipien der Stoffvermittlung, und unter aktiver Einbeziehung der Sportlerpersönlichkeiten selbst.
DDR, Spartakiadesieger (1977) |
♦♦ Rückblick und Analyse - ohne nostalgische Verklärung
Rückblickend auf das "verflossene kleine Ländle" DDR, das sich einst gern selbst als "Sport-Wunderland" bezeichnen ließ, entdeckte Eckhard Herholz nach einem Vierteljahrhundert jetzt eine zwar späte ( -..." aber vielleicht noch nicht zu späte ...!?") neue Tendenz:
Lässt man mal die zur Genüge beschriebenen wirtschaftlichen, politischen, ideologischen sowie gesellschaftlichen und kulturellen Disproportionen und Defizite der DDR-Gesellschaft weg, die letztlich deren Ende ausmachten, dann entdeckt vielleicht auch der kritischste Betrachter schließlich, dass man auch damals dort mit Drill, Kommandosystemen, Doping u. anderen "unlauteren" Methoden allein keine Medaillen 'produzieren' konnte. Das "Sportwunder DDR" beinhaltete ein ausgeklügeltes System förderstufenartiger und sinnvoller Selektierungsmethoden, welche substanziell untersetzt waren, mit einem qualitativ hohen Stand akademischer Strukturen von Forschung, Lehre und Geräteentwicklung für die Bereiche Kindergärten, Trainingszentren, Schule, Vereins- wie Spitzensport. Das hat wohl nun auch Deutschlands oberster Sportler, DOSB-Chef Alfons Hörmann begriffen, als er letztens bei einer Konferenz in Freyburg / Unstrut dazu aufforderte, mal etwas intensiver nach derart, fast verschüttetem Wissen und verödeten Strukturen, zu suchen, die den DDR-Sport einst in beachtlicher Breite seiner Spitze mit den Weltmächten der damaligen Zeit konkurrieren ließ.
♦♦ Medaillen 'oben' – die macht man ein Jahrzehnt davor, 'unten'!
Kritik übte der Ex-Trainer, Ex-TV-Sportjournalist und heutige Publizist Herholz, auch an den derzeitigen unzureichenden Strukturen des olympischen Sports in Deutschland: "Ich erwarte vom DOSB, aber auch von den Fachverbänden, dass es künftig nicht nur beim fiktiven Formulieren von Medaillenhoffnungen und deren nachfolgenden kritischen Analysen bleibt: Medaillen bei Olympia beginnt man über ein Jahrzehnt zuvor vorzubereiten! Das bedarf erstrangig eines höheren Wissensstandes neuer, junger Trainergenerationen, die mit wissenschaftlichem, trainingsmethodischem, pädagogischem und psychologischem Rüstzeug ausgestattet werden müssen. Zugleich bedarf es der dringlichsten Anhebung des Status, der Wertigkeit, Bezahlung und vertraglichen Bindung des Berufsstandes 'Trainer,' der - wie die Erzieher und Lehrer in Vorschule, Schule und Universitäten - zu den bedeutendsten Trägern eines höheren Bildungsniveaus einer Gesellschaft gehört - den Bereich Spitzensport im System 'Körperkultur' einer Nation eingeschlossen."
Nach ersten analytischen Kritiken der deutschen Rio-Ergebnisse notiert man bereits erste Ansätze grundlegenden Veränderungswillens in verschiedenen Sportverbänden. Man spricht von "grundlegenden Strukturmaßnahmen und -veränderungen", von Überforderung des Ehrenamts im Spitzensport und deshalb von der Notwendigkeit der Professionalisierung der Verbandsstrukturen.
Natürlich muss die Gesellschaft auch mehr Geld dafür in die Hand nehmen, doch mehr Geld bedeutet nicht linear mehr Gold. Struktur-, System- und Qualitätsdebatten sind zuvor angesagt! (* ... siehe auch ► "Ohne Geld kein Gold"!)
♦♦ Medialisierung des Sports und deren Folgen
Natürlich spürte man, dass der Ex-TV-Journalist Herholz auch sehr gern noch über die Bedeutung und Verantwortung der Medien im Kommunikationszeitalter gesprochen hätte, verwies zumindest auf die seiner Meinung nach "einseitig selektierende und damit ungenügende Vielfalt" des Angebotes der Öffentlich-Rechtlichen ... , aber dies wäre dann wohl eher ein Thema einer eigenständigen, wenn auch dringlich nötigen, vielleicht nächsten Konferenz gewesen.
♦♦ Diese 3. Athletik-Konferenz 2016 in Hennef vollbrachte in der vielfältigen Summe ihrer Themen und der Kompetenz ihrer Referenten in der Summe für alle Beteiligten einen starken Wissenstransfer und die Konfrontation mit neuen Trainings-Ansätzen, neuen Methoden, Konzepten und Philosophien. „Die Athletik-Konferenz versteht sich als sportart- und themenübergreifende Kontaktplattform im Spitzensport, die auf Basis neuer Expertisen, Akteure aus unterschiedlichen Sportarten zusammenbringt“, resümierte Robert Heiduk, Co-Initiator der Konferenz.
Deshalb auch der Welt älteste aktive Wettkampfturnerin Johanna Quaas (90) als überzeugende "Botschafterin des Gerätturnens" vor dem Auditorium der Fußball- und Athletiktrainer...:
* Johanna QUAAS wird unterstützt von ► wissner-bosserhoff, die durch Johanna Quaas auch eine besondere Athletik für all' jene empfehlen, die den Weg in die Sporthalle nicht mehr schaffen: ► Bettgymnastik mit Johanna Quaas (siehe unten) |
Eingerahmt war die Athletik-Konferenz von der einzigen Spitzensport-Messe im deutschsprachigen Raum: Hier präsentierten Aussteller ihre Innovationen im Bereich Trainingsgeräte, Messtechnik, Software, Ernährung und Rehabilitation, am Messestand und in Fachvorträgen.
Dass dabei auch die älteste Wettkampfturnerin der Welt, Johanna Quaas, mit von der Partie war, die sich auch als interesssierte und aktive Nutzerin solcher Trainingsgeräte herausstellte, unterstrich die Komplexität des Sports in allen Lebens- und Leistungsbereichen.
Natürlich beinhalteten diese drei Hennefer Konferenztage noch wesentlich mehr Themen und Inhalte, die hier nur keine Erwähnung fanden, die man aber auf der Website unter
>> www.athletikkonferenz.de in Kürze nachlesen kann.
Dr. Lothar Nieber
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* Weitere spezielle Fitness- und Athletikempfehlungen untertützt die Fa. "wissner-bosserhoff ... |
--- in einer Videoserie "Bettgymnastik", für all jene "Älteren", die sich den Weg zum Verein oder zur Turnhalle nicht mehr trauen:
► Johanna Quaas empfielt: Bettgymnastik
► Bettgymnastik - die Videoserie
* Johanna Quaas ist auch Botschafterin für Seniorensport der aktuellen Kampagne
►► "Deutschland trainiert"