05. September 2016  
Hennef, GER  
Gerätturnen

Was macht eine Turn-Oma auf einer Athletikkonferenz des Nachwuchsleistungssports?

Zur Verblüffung der ca. 300 Teilnehmer der 3. Athletik-Konferenz in der Sportschule Hennef bei Bonn (2.-4. Sep. 2016) trat dort u. a. die 90-jährige Wettkampfturnerin Johanna QUAAS aus Halle / Sa. auf. Einen Tag nachdem sie zum 18. Mal das "Goldene Sportabzeichen" in ihrer Heimatstadt Halle / Sa. abgelegt hatte, überzeugte sie mit dem Beispiel ihrer sensationellen Barrenübung die junge Athletik-Trainergeneration bildhaft, dass konditionelle und koordinative Eigenschaften nicht nur im Sichtungs- und Auswahlprozess und im Hochleistungsalter von Bedeutung sind, sondern einmal erworben, bis ins allerhöchste Alter abrufbar sind. Damit fand die bereits auf der 1. und 2. Athletikkonferenz angemahnte Paradigmenerweiterung des Athletiktrainings auf die Integration koordinativer Bewegungsinhalte ihren sichtbar wertvollen Ausdruck.

Herholz verwies zu Recht darauf, dass er das Gerätturnen für so etwas wie die "Mutter der Sportarten" hält und bewies mit dem Beispiel dieser außergewöhnlichen Seniorensportlerin Johanna Quaas, dass dies sowohl vom frühesten Kindesalter bis hin in die letzte Lebensphase gilt.
"Ich halte die Missachtung, u. z. T. Streichung bzw. Reduzierung des Grundlagenturnens an den Geräten im Schulsport für eine regelrechte Schande eines modernen Bildungssystems", sagte der Ex-Trainingswissenschaftler, der im letzten Jahrzehnt der DDR an einer Dissertation zum Thema koordinativer Fähigkeiten im Nachwuchsleistungssport forschte und dessen Athleten aus diesem System modernen Nachwuchstrainings nach der politischen Wende als Top-Turnathleten in den gesamtdeutschen Nationalriegen standen.
Dabei verallgemeinerte er praxisnahe Trainingsbeispiele aus dem Grundlagentraining derart, dass sie auch von den vorwiegend im Athletikbereich der Spielsportarten arbeitenden Rezipienten dieser Athletikkonferenz in deren eigene Arbeit transformiert werden können.

♦♦ Rückblick und Analyse - ohne nostalgische Verklärung
Rückblickend auf das "verflossene kleine Ländle" DDR, das sich einst gern selbst als "Sport-Wunderland" bezeichnen ließ, entdeckte Eckhard Herholz nach einem Vierteljahrhundert jetzt eine zwar späte ( -..." aber vielleicht noch nicht zu späte ...!?") neue Tendenz:
Lässt man mal die zur Genüge beschriebenen wirtschaftlichen, politischen, ideologischen sowie gesellschaftlichen und kulturellen Disproportionen und Defizite der DDR-Gesellschaft weg, die letztlich deren Ende ausmachten, dann entdeckt vielleicht auch der kritischste Betrachter schließlich, dass man auch damals dort mit Drill, Kommandosystemen, Doping u. anderen "unlauteren" Methoden allein keine Medaillen 'produzieren' konnte. Das "Sportwunder DDR" beinhaltete ein ausgeklügeltes System förderstufenartiger und sinnvoller Selektierungsmethoden, welche substanziell untersetzt waren, mit einem qualitativ hohen Stand akademischer Strukturen von Forschung, Lehre und Geräteentwicklung für die Bereiche Kindergärten, Trainingszentren, Schule, Vereins- wie Spitzensport. Das hat wohl nun auch Deutschlands oberster Sportler, DOSB-Chef Alfons Hörmann begriffen, als er letztens bei einer Konferenz in Freyburg / Unstrut dazu aufforderte, mal etwas intensiver nach derart, fast verschüttetem Wissen und verödeten Strukturen, zu suchen, die den DDR-Sport einst in beachtlicher Breite seiner Spitze mit den Weltmächten der damaligen Zeit konkurrieren ließ.