Olympische Erinnerungen! |
♦ Auf den Tag genau heute, vor einem halben Jahrhundert, riß Willi JASCHEK im Olympiamannschaftskampf am Boden die Achillessehne, doch der viermalige Deutsche Mehrkampfmeister vom TSV Heusenstamm gab nicht auf, kämpfte trotzdem im Dienste des Mannschaftsresultates durch - und ging als "Held von Mexiko" in die Geschichtsbücher ein...
♦ Und die erstmals mit eigener Flagge als souveränes DDR-Team auftretende Mannschaft aus Deutschlands Osten 'erzitterte' sich mit ihrem Leipziger Mannschaftskapitän Matthias BREHME knapp vor der damalige CSR mit dem Hauch von +0,05 Punkten Unterschied wieder, wie 1964 in Tokio, die ersehnte Bronzemedaille hinter den Giganten Japan und UdSSR - erntete aber von ihren einstigen sozialistischen Nachbarn nur "eisiges Schweigen", standen doch damals NVA-Soldaten zu Zeiten des "Prager Frühlings" einmarschbereit in den Wäldern des Vogtlandes ...
... das Leipziger Olympia-Star-Trio der bronzenen DDR-Olympiariege mit "bronzenen Körpern" in der Olympiastadt von 1968: * von rechts: Matthias Brehme, Siegfried Fülle, Klaus Köste
♦ Zitterspiel um Mannschaftsbronze
Der damals beste deutsche Turner im Olympischen 12-Kampf von Mexiko-City, der Leipziger Matthias BREHME, erinnert sich heute so ...:
"Meine Güte, ist das lange her, ich weiß noch, dass ich unbedingt den Endkampf erreichen wollte, obwohl ich sportlich gar nicht so die absolute Höchstform mehr hatte. Mit einem Punkt Vorsprung nach der Pflicht vor den Tschechen gingen wir in den Kürwettbewerb. Dann hatten wir aber am Pauschenpferd gleich mehrere Einbrüche - viermal nur Achterwertungen - doch da lagen wir nur -0,15 Punkte hinter den Tschechen als unseren stärksten Konkurrenten. Japaner und Sowjets turnten vor uns um Gold und Silber sowieso in einer anderen Liga. Das wollten wir an den Ringen wettmachen, wir fighteten wie verrückt - jeder Kreuzhang wurde sicherheitshalber eine Sekunde länger als geforderten gehalten - trotzdem nahmen uns die Kampfrichter ziemlich hart maß... Parallel war die CSR-Riege am Sprungpferd: Dort entschied sich alles mit derem letzten Springer: Vaclav SKOUMAL, seinen Yamashita zimmerte er in den sicheren Stand. 9,50 Punkte. Die Tschechen und ihre Fans jubelten schon; dann der zweite Sprung, den musste er allerdings im Stand mit einem Schritt korrigieren...?! War das etwa die Entscheidung ...? Das Kampfgericht rechnete ewig ...!! Wir waren schon in der Kabine und ziemlich betrübt - bis uns nach einer schier endlos langen Ungewissheit das Resultat erreichte: 557,15 : 557,10 Punkte, also, mit dem Hauch von + 0,05 Punkten gewannen wir Bronze, v o r den Tschechoslovaken!
Die allerdings verhielten sich uns gegenüber ziemlich kühl und wortkarg, waren das doch damals die schwierigen Zeiten des 'Prager Frühlings' und standen doch da zeitgleich deutsche NVA-Soldaten der DDR einmarschbereit in den Wäldern des Vogtlandes ...!"
Matthias BREHME (SC DHfK Leipzig), 2-facher Deutscher Meister (DDR) am Pauschenpferd und zwischen Nikolai Andrianow und Michail Woronin (URS) 1971 in Madrid Vize-Europameister auf den Pauschen ... |
♦ Wie man zum "Helden von Mexiko" wird
Der viermalige bundesdeutsche Ex-Mehrkampfmeister Willi JASCHEK kam in diesem Olympiakampf zu zeitloser Berühmtheit als der "Held von Mexiko":
"Ja, das war am ersten Gerät, bei meiner ersten Übung am Boden, nach Flickflack- 1/2-Drehung zum Liegestütz, dann Rondat und Salto rw. gestr. mit 1/1-Drehung - da knallte es - Achillessehne war gerissen! Was tun, lange überlegen, konnte ich da nicht ... hatte aber auch keine Alternative: Abtreten ...? Das wären dann nur 2 Punkte gewesen und hätte gnadenlosen Absturz unseres Teams bedeutet. Ich machte also instinktiv weiter. Frag' mich nicht, wie das ging, das war wohl so 'was wie ein Adrenalinschub - so, wie es jetzt vor zwei Jahren wohl auch Andreas Toba in Rio ergangen sein musste ...!
Pauschenpferd ging dann noch ziemlich gut, weil die Landung nicht so belastete. Und Ringe, da fing mich Trainer Eduard Friedrich bei meiner Ein-Beinlandung ebenso sicherheitshalber ab, wie auch bei den nachfolgenden Abgängen an Barren nach der Luftrolle und Reck nach Doppelsalto als Abgang. Tja, und davor Sprung: Da musste ich wenigstens antreten, den Arm heben, um mich anzumelden, bekam dafür 0 Punkte, blieb aber damit für Barren und Reck in der Mannschaft. Ich weiß noch, dass der Schweizer Teamchef Jack Günthardt Protest eingelegt hatte, wegen der Hilfeleistung bei meinen Einbeinlandungen."
Das Wettkampfgericht aber bewies Größe ob der vom Publikum lautstark begleiteten Willensleistung und wies den Einspruch zum Glück ab - heute, vor einem halben Jahrhundert!
"So sind wir als Mannschaft dann doch noch auf Rang 8 unter den Top-Ten geblieben!" - erinnert sich der außergewöhnliche Kämpfer rückblickend.
... die Kämpfer von einst, am Turnen noch immer dran: v.l.: Bernd Effing, Walter Mössinger, Willi Jaschek |
Auch heute noch ist der Ex-Top-Athlet mit seinen 78 Jahren noch immer ganz dicht an der Entwicklung des Kunstturnens in Frankfurt dabei!
... und, nicht zu vergessen:
Einen Tag vor den Männern, am 21. Oktober 1968, hatte es im "Pasco dela Reforma Auditorio National" bereits schon eine Medaille gegeben:
Hinter der UdSSR und der CSR gewannen die DDR-Deutschen mit Erika Zuchold, Karin Janz, Maritta Bauerschmitd, Kapitän Ute Starke, Marianne Noack und Magdalena Schmidt erstmals bei Olympia Mannschaftsbronze!
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Und in wenigen Tagen schreibt diese komplexeste aller Sportarten nun wieder neue Geschichten, bei ihren
► 48. WELTMEISTERSCHAFTEN 2018 im Aspire Dome zu Doha.
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