FIG-Präsident Grandi ruft zu den Waffen

Bruno Grandi (FIG)
' a call to arms!'

In einem "offenen Brief" fordert der italienische Präsident des Turn-Weltverbandes FIG, Bruno GRANDI, zu einem Überdenken und Erneuern des gesamten Systems des Weltturnsports auf.
Insbesondere größere Transparenz und Nachvollziehbarkeit sportlicher Wettbewerbe sollen auf den Prüfstand gelegt werden, um im öffentlichen (medialen) Wettbewerb gegenüber anderen Sportarten bestehen zu können.
Im Brief nicht erwähnt, aber derzeit in einer Krise und aktuell im Umstrukturierungsprozess, befindet sich z.B. derzeit das von der FIG initiierte und in die Jahre gekommene Weltcup-System.
Wenn Grandi "zu den Waffen" ruft, zielt er aber ganz sicher auch auf sich selbst ...!?

* FIG, press Nr. 41: Offener Brief des FIG-Präsidenten Bruno GRANDI (ITA)
(Lausanne, 1. Juli 2009)
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Liebe Freunde,
unsere Zukunft gründet sich auf folgende Voraussetzungen und es ist ein Gebot der Stunde, dass wir uns damit umgehend befassen:
- mit der Glaubhaftigkeit (Objektivität- .die Red.) der Resultate;
- mit der dauerhaften Transparenz der Abläufe vor Ort (Veröffentlichungen, Kultur und Breitensport).
Das ist der Wandel, den wir zuerst und vor allem innerhalb des Weltturnverbandes vollziehen müssen.
Diese Situation erfordert einen klaren Schnitt und umgehende Lösungen.

Wenn wir die Tür zu anderen Sportarten geschlossen halten, ob traditionell oder innovativ (auch neue tägliche Sportentwicklungen),werden wir einen wilden Wettbewerb bestehen müssen!
Wenn wir nur auf unsere Traditionen bauen, unsere Gewohnheiten und unsere Perspektive nur auf die Erfahrungen aus der Vergangenheit begrenzen, werden diese kritischen und fruchtbaren Momente bald an uns vorübergehen und wir werden unweigerlich einen Rückschritt erleiden.

Kreativität und Erfindungsgabe sind die Schlüssel für einen sich erneuernden und wiederbelebenden Sport; unsere Wettkämpfe müssen das Interesse des Publikums ansprechen, welches dieselben auch besser verstehen muss! Nur zu glauben, weil unser Sport spektakulär ist macht es ihn automatisch zu einer Schaufensterauslage - besser als jeglicher anderer phänomenaler, spektakulärer Sport - das mag unser Wunsch sein.
Betrachtet man das Turnen, muss das Publikum mitfühlen können, sowie in anderen Disziplinen, und muss erreichbar (erstrebenswert - die Red.) für Jedermann sein.

Dieser Prozess hat sich n i c h t in unserem Sport etabliert, ob auf politischer, sozialer oder ökonomischer Ebene.
Der Breitensport ist so eine ideologische und kulturelle Plattform, durch die unsere Meister den Weg in das Leben finden können, in welchem Gesundheit das höchste Gut ist, und die Überzeugung, selbigen Weg zu gehen.

Der Turnweltverband muss seinen Status als hochentwickelter olympischer Sport, zugänglich für eine breite Öffentlichkeit, auf Grund seiner Charakters als Grundform menschlicher Bewegung, zurückgewinnen.
Eine ehrgeizige Zielstellung!

Die uns eigene Vielfalt ist bisher vernachlässigt worden, doch wir müssen unser sportliches Potenzial stärker ausnutzen und besser anwenden und zum richtigen Zeitpunkt geschickt einsetzen. Doch dabei ist uns die Zeit davon gelaufen, liebe Freunde!
Noch genießt unsere Disziplin mit seiner langen Tradition und seinem faszinierenden Unterhaltungswert eine hohe Wertschätzung. Wenn Gesundheit und körperliches Wohlgefühl mit Erhöhung von Lebensqualität einhergehen, entsteht ein vernünftiger Nutzen.
Betrachtet dies als einen „Ruf zu den Waffen“:
Bringt den Mut auf, unser ganzes System neu zu beleben.

Mit besten Empfehlungen.
Bruno Grandi, FIG-Präsident

* (deutsche Übersetzung: GYMmedia INTERNATIONAL)
>> Brief Grandis (im engl. Original)
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Eckhard Herholz
Chefredakteur, GYMmedia INTERNATIONAL

* KOMMENTAR
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"... haltet den Dieb !?"
Nichts gegen die Richtigkeit dieses Appells von Grandi, aber klingt klingt das nicht ein wenig wie "haltet den Dieb"...?
Denn es waren und sind in erster Linie und allzu oft die zähen Prozesse des Weltverbandes FIG selbst, die Innovationen, Neuerungen, Transparenzen der Wertungs- und Wettkampfsysteme oft gänzlich oder zumeist erst lange verhindert haben, bevor sie in die Praxis überführt werden konnten.
Oft waren es eben erst öffentliche Eklats (z.B. Athen 2004, Reckfinale), und der nachfolgende Druck von außen (Öffentlichkeit, Medien, IOC), die erst dann zu spürbaren Veränderungen führten.

So manche mutige und kreative Bewegung oder Person blieb - gerade w e g e n der FIG - auf der Strecke und Grandi selbst war in Person derjenige, der die Weichenstellung zu neuen Wertungs- bzw. Wettkampfsystemen oft in letzter Minute verhinderte.
Nun macht er sich selbst zum "schein-revolutionären" Wortführer für Veränderung, sicher auch unter dem Druck gefährdeter Einnahmen von TV- oder/und IOC-Seite.
Was aber seine "Reanimations"-Aufforderung angeht, erscheint sein Aufruf kurios:
In Europa und anderswo sind doch längst attraktive Modelle öffentlicher Präsentation des Turnens entstanden - aber eben außerhalb von FIG-Hoheiten ...!
Wenn nun aber tatsächlich mutige Vorschläge zur Veränderung auch i n n e r h a l b der FIG mehr Raum bekämen, dann hätte der langjährige Welt-Vorturner Grandi mal wirklich 'was gekonnt...!

Eckhard Herholz
GYMmedia INTERNATIONAL